Essen packt an!

Warm durch die Nacht - Tourbericht 20.01. 2016 von Andreas

- zu wenig ist besser als nichts, aber immer noch zu wenig -

Gestern waren wir wieder am Start. Wir, das waren Janita, Birgit, Melanie, Fabienne, Marco, Hartmut und ich. Später an der Porschekanzel stieß dann noch Basti dazu. Vroni hat im Lager mal wieder für die nötige Logistik gesorgt und Michael hat wie üblich alles, samt einer Kofferraumladung Brot von der Bäckerei Förster, zu uns in die City gebracht.

Es war eine Tour wie sie sein soll. Ingrid hatte das von der Realschule am Schloss Borbeck gespendete Essen abgeholt und zu uns geliefert. Es gab Grünkohl und Möhreneintopf.

An unserem Startpunkt am Café Nord hielten wir uns, wie mittlerweile üblich, sehr lange auf. Viele Menschen suchen uns bereits hier auf bzw. warten hier schon auf uns. Man bedenke, für viele Bedürftige ist das die erste Mahlzeit des Tages.
Und man verlässt sich auf uns, dass wir da sind und uns kümmern. Und das ist auch gut so, denn auf „Warm durch die Nacht“ und die Menschen hinter diesem Slogan ist Verlass; für viele Menschen, die hier in der Stadt leben, nicht selten das Einzige, worauf sie sich verlassen können.
Manchmal kommt es vor, dass ein „Neuer“ dabei ist, der nicht recht weiß wer wir sind und was wir hier tun. Interessant ist, dass wir selbst es ihr/ihm dann gar nicht erklären müssen. Das tun sehr eifrig unsere OfW’ler (OfW: Ohne festen Wohnsitz), die mit uns am Fahrrad und an den Wagen stehen. Sie sind sichtbar stolz darauf, es mit eigenen Worten zu beschreiben, dass wir uns hier in unserer Freizeit um bedürftige Menschen in unserer Stadt kümmern. Für sie scheint es wichtig, darüber ihre eigene Dankbarkeit zum Ausdruck zu bringen.


So kommt es auch immer wieder vor, dass sie selbst mit anpacken, unser Suppenfahrrad die Kettwiger hochschieben wollen, Bollerwagen ziehen, etc. Über die Regelmäßigkeit unserer Treffen entsteht eine annähernd familiäre Atmosphäre; das ist mal Fakt.
Deshalb ist es für Jeden, der hier auf die Tour geht, auch ein wichtiges Merkmal, räumliche Nähe zu diesen Menschen zuzulassen. Wir wurden gestern Abend wieder mehrfach umarmt. Ein junger Mann, dem wir eine neue Hose und Wintersocken besorgen konnten, hatte sogar das dringende Bedürfnis, uns auf die Wange zu küssen, während er Mühe hatte seine Tränen zu unterdrücken. Jeans und Socken, stellt Euch das einfach mal vor; darüber denkt Unsereins doch nicht im Ansatz nach, wenn wir uns morgens wie selbstverständlich an unseren Kleiderschränken bedienen. Für ihn hingegen bedeutet dies 100% Verbesserung seiner derzeitigen Lebensqualität.
Doch leider haben wir nie genug an warmer Kleidung dieser Tage, die Spenden reichen einfach vorne und hinten nicht. Wenn wir könnten, würden wir zig Mal mehr lange Unterhosen, Wintersocken, Handschuhe, Mützen, Schals etc. verteilen, doch wir haben zu wenig. Das tut körperlich weh, wenn wir dann zitternden Menschen erklären müssen, dass wir „ausverkauft“ sind.

So kommt es immer wieder vor, dass Tourgänger ihre eigene Kleidung weitergeben, oder sich kurzerhand kältegeplagte Bedürftige unter den Arm haken und mit ihnen in Bekleidungsgeschäften auf private Rechnung einkaufen gehen. Das ist so erst heute wieder passiert, weil ein uns sehr gut bekannter Obdachloser kaum noch Kleidung am Körper hatte, kaputte Schuhe trug, keine Handschuhe hatte, und in einer zerrissenen Hose durch die Stadt lief. Allerdings konnte man von „laufen“ kaum noch sprechen. Ein Mensch unter Menschen, dessen lebensbedrohliche Not einfach nicht wahrgenommen wird, außer von ein paar „Verrückten“, die das zu ihrer Sache gemacht haben.
Aber es mangelt uns nicht nur an Kleidung, es mangelt uns auch an kontinuierlichen Tourgängern. Bei diesen Verhältnissen da draußen könnten wir sieben Tage die Woche präsent sein und fänden immer reißenden Absatz. Viele Bedürftige sagen uns, dass sie uns z.B. am Sonntagabend am schmerzlichsten vermissen. Denn dann ist die Stadt quasi zu, menschenleer, nirgends kann man sich aufwärmen, Niemanden auf eine kleine Geldspende ansprechen, etc. und wir sind halt auch nicht da. Die Stadt ist gefühlt nochmal 10 Grad kälter, Einsamkeit überkommt viele Menschen dann in besonderem Maße.

Doch der Kern derer, die hier namentlich immer wieder genannt sind, die allesamt Familie haben, selber im Beruf stehen und sonstige Verpflichtungen haben, schafft einfach nicht mehr als das, was wir aktuell auf die Beine stellen. Wer mal mit auf einer Tour war, der weiß davon zu berichten wie körperlich anstrengend das ist, 5-6 Stunden durch die Stadt zu laufen, immer in Bewegung zu sein, das Suppenfahrrad die Kettwiger hinauf zu schieben, um dann nach der Tour alles wieder sauber zu machen und zu verstauen. Vor 23.00 Uhr ist hier Niemand von uns zuhause.
Je größer aber das Team ist, umso eher besteht die Möglichkeit, dass wir uns quasi in Schichten aufteilen können, wie wir es früher oft getan haben; die Einen starten die Tour und die Anderen bringen sie zu Ende. Das würde dann auch dazu führen, dass niemand zwangsläufig die komplette Tour begleiten müsste, aber gerne kann.
Soll sagen, derzeit schaffen wir es einfach rein körperlich nicht, mehr als 3 Touren die Woche auf die Beine zu stellen. Darum wollen wir diesen Tourbericht auch nochmal als Appell verstehen an unsere Leser, sich mit einzubringen; sei es mit dringend benötigten Kleiderspenden oder genauso benötigten „Zeitspenden“. Wir können wirklich jede helfende Hand gebrauchen, denn viele der hier mit auf Tour gehenden Helfer sind schlichtweg am Limit, wenn nicht darüber hinaus.
Das hindert sie nicht daran einfach weiter zu machen, weil der Bedarf allerorten spürbar da ist. Was sie dazu motiviert, wisst Ihr bereits aus vielen anderen Tourberichten; aufrichtige Dankbarkeit der Bedürftigen, praktizierte Menschlichkeit, Nächstenliebe und das tolle Gefühl, all dies in Gemeinschaft mit Gleichgesinnten zu tun. Wir leben einfach nur vor, wie wir uns unsere Gesellschaft vorstellen.
„Be the change you want to see in the world“ sagte einst Mahatma Gandhi. Diese Worte haben, gerade in der aktuellen Zeit, nicht an Aktualität verloren.


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