Warm durch die Nacht - Tourbericht 13.05.2015
verweilten wir dort. Viele aßen Suppe, freuten sich über das Angebot an Gebäck, tranken Kaffee und fragten nach Kleidung. Ganz stolz konnte ich die Frage eines Jungen Punkers nach ein paar Schuhen Größe 46 mit „Ja“ beantworten. Leider mussten wir dann aber feststellen, dass das Paar auf dem Bollerwagen, was ja schon fast kleinen Ruderbooten glich, immer noch zu klein war. Zumindest konnten wir diesen jungen Mann aber mit Pflaster versorgen, denn er hatte eine ziemlich große Wunde am Bein. Wir wollen in den nächsten Tagen im Lager nach den allergrößten Schuhen, die überhaupt da sind, suchen, um ihm diese noch geben zu können.
Kurz bevor wir weiterziehen wollten, fiel uns eine alte Dame auf, ca. 80, die sich gar nicht traute, auf uns zuzugehen. Nach einer Aufmunterung nahm sie aber äußerst dankbar ein Stück Torte und ließ sich von uns Gebäck und Brot einpacken, um über den Feiertag zu kommen. Man sah ihr an, dass sie nichts hatte und äußerst bedürftig war. Sie mag vielleicht nicht obdachlos sein, aber wir hatten hier mit Sicherheit eine direkte Begegnung mit der Altersarmut in unserer Stadt.
Ein kleines Stückchen weiter, vor dem Baedecker-Haus hatten wir dann erneut Großeinsatz. Unsere Suppen fanden dankbare Abnehmer, wobei die Kartoffelsuppe eindeutig favorisiert wurde.
Einen jungen Polen, der über seinen nackten Oberkörper lediglich eine Weste trug, konnten wir mit etlichen warmen Kleidungsstücken ausstatten. Auch für seine Begleiter, eine junge Frau und ein Mann, fand sich Kleidung und für sie auch ein paar Schuhe.
Ein Mann, der wohl zum ersten Mal eine Tour mitbekam, konnte es gar nicht fassen. Während wir ihn mit allem versorgten, gab er viele teilweise sehr lustige Äußerungen von sich: „Ihr habt so ein großes Herz, da passe ich ja gar nicht rein. Ihr seid ja verrückt. Ich habe 2 Jahre Diät gemacht um dünner zu werden. Und jetzt kommt ihr!“ So kam ein Ausruf hinter dem nächsten, ich konnte mir das alles gar nicht merken. Aber wir haben viel gelacht über ihn aber eben auch mit ihm. Ach ja, dass wir Engel wären, das hat er auch noch gesagt.
Ähnliche Reaktionen hatten wir dann auch noch mehrmals von anderen, eine Art Fassungslosigkeit, dass es so etwas wie uns gäbe. Einige haben auch sehr interessiert nachgefragt, wer wir sind und was uns dazu treibt. Ein Pole, den wir aus dem Halbschlaf schreckten, reagierte, als habe er eine Erscheinung. Ihr hättet seinen Gesichtsausdruck sehen müssen, als wir ihm neben Brot und Suppe auch noch Duschgel und Süßes reichten. Sein „Danke, danke, danke…“ hörten wir noch, als wir längst ein ganzes Stück weitergezogen waren.
Auf dem Weg zum Willy-Brand-Platz fanden wir dann jemanden, der offensichtlich schlief und wir wollten ihm eigentlich ein bisschen Brot hinlegen. Als Vroni ihn vorsichtig ansprach, schrak er hoch und wir erkannten ihn. Es war unser S., der Mundharmonikaspieler. Und er lag nicht nur wegen Müdigkeit da. Im Gespräch stellte sich dann schnell heraus, dass es drei Stunden zuvor einen handgreiflichen Konflikt zwischen ihm und dem jungen Polen gegeben hatte, laut S. völlig ohne Grund. Nun ging es ihm nicht gut, er habe Kopfschmerzen, ein Zahn sei lose, der Kiefer täte ihm weh und er habe Schmerzen in der Rippengegend. S. weinte, fühlte sich ungerecht behandelt und auch weiterhin bedroht. Wir rieten ihm, mit uns noch ein Stück Richtung Bahnhof zu kommen, um auf jeden Fall eine weitere Begegnung mit dem jungen Mann zu vermeiden. Wir versorgten ihn neben Suppe auch mit Pullovern und einem Handtuch, das er sich um den Hals legte, denn er fror und war noch völlig geschockt und durcheinander. Etwas später folgte er dann unserem Rat und entfernte sich von der Stelle und ging Richtung Bahnhof. Am Samstag wollen wir unbedingt nach ihm sehen, er macht uns Sorgen. Insgesamt war gestern eine komische Stimmung in der Stadt. Auffallend viele Polizeifahrzeuge waren in der Fußgängerzone unterwegs. Auch S. erwähnte, dass die Polizei dagewesen sei.
Oben am Aufzug haben wir dann noch viele versorgen können und auch auf dem Rückweg hatten wir noch manche Begegnungen, teilweise auch sehr lustige.
Am Ende war unser Bollerwagen so gut wie leer, 28 Dosen Suppe haben wir verteilt, das sind nach unserer Einschätzung ca. 70 Portionen. Auch das Gebäck, die Torte und die Brötchen waren am Schluss verteilt, was wir bei der Menge am Anfang niemals geglaubt hätten.
Diese Tour war ein Wechselbad der Gefühle: von Schrecken, Mitleid, Wut, Rührung, Freude bis hin zu Mordsspaß war alles dabei und immer mit dem Gefühl: Wir werden hier gebraucht!!!
Ich bin sehr kaputt aber eben auch unheimlich zufrieden zu Hause angekommen und ich denke, meinen Mitstreitern ging es genauso.