Warm durch die Nacht - Tourbericht 17.06.2015
in einer Seitenstraße direkt am Dom aufstellten. Vroni hatte P. ausfindig gemacht, der uns seit gestern Sorgen macht. Er hat eine starke Zahnfleischentzündung und kann praktisch nichts beißen. Vorsorglich hatten wir für ihn Kartoffelbrei-Terrinen eingepackt, die er dann auch dankbar nahm. Zusätzlich versorgten wir ihn mit einem Zahnfleischgel. Wir hoffen, dass es nun schnell besser wird.
Punker H. mit Freund und Hund kam ebenfalls essen. Das große Tier kriegt er dank einer großen Dose Hundefutter auch heute satt. Dann kam F.J. mit unserem Lieblingshund Mogli. Natürlich versorgten wir beide. Leider konnten wir F.J. immer noch keine Jeans besorgen. Darum wollen wir uns aber in den nächsten Tagen bemühen, denn er hat nun schon so oft danach gefragt. Immerhin hatten wir für ihn Socken und ein T-Shirt und zu seiner großen Freude auch einen Schlafsack, denn seiner war ihm geklaut worden. Auch für A. hatten wir einige Shirts und konnten, nachdem wir am Samstag nur eine Isomatte für sie hatten, ihr heute ebenfalls einem Schlafsack geben. Und es war, wie immer, kaum war der letzte Schlafsack ausgegeben, meldete auch schon der nächste Bedarf an. Wir brauchen also weitere.
Es hat mich geradezu berührt, wie alle dann aufgereiht auf einer Bordsteinkante saßen und genüsslich ihre Suppen löffelten. Alle waren zufrieden und bedankten sich fast überschwänglich - 10 Meter weiter: die Gourmetmeile. Ob dort auch so dankbare Gäste sitzen? schoss es mir in den Kopf.
Wir gingen weiter Richtung Willy-Brand-Platz. Auf halben Weg trafen wir M., die junge schwangere Frau, die wir schon am Samstag völlig verzweifelt getroffen hatten. Zur Erinnerung: ihre Tasche mit allen Unterlagen für eine Krankenhauseinweisung war ihr von einem anderen Obdachlosen weggenommen worden. Nun stellte sich heraus, dass sie wohl am Samstag dann doch noch notfallmäßig in der Klinik aufgenommen worden war, nach ihren Aussagen wegen eines Schlaganfalls. Dann hat man dort wohl auch die vorgesehene OP durchgeführt. Als sie uns das zeigte, waren wir alle geschockt: eine 20 cm lange frische OP-Narbe mit Fäden auf ihrem Oberschenkel, rundherum ein riesiger Bluterguss. Offensichtlich hatte sie auch Fieber und die Blutflecken auf ihrer Hose verrieten, dass die Wunde nachblutete. Es ging ihr miserabel. Wir informierten unsere Obdachlosenbotschafterin und entschlossen uns, dafür zu sorgen, dass sie zurück in die Klinik kommt. In dem Moment, als ihr deutlich wurde, dass wir es ernst meinen, lief sie davon. Vorher hat sie uns erzählt, dass sie gleich nach der OP entlassen worden sei, da sie ja keine Papiere hätte. Aufgrund ihres Zustandes vermuten wir eher, dass sie auf eigene Faust die Klinik verlassen hat.
Wir suchten sie aber fanden sie nicht mehr. Wir sind in großer Sorge, auch weil sie viel zu viel damit herumläuft und sich diese Wunde jederzeit infizieren könnte. Für uns kein gutes Gefühl, zu wissen, dass sie in dem Zustand weiter ohne Versorgung durch die Stadt läuft. Unsere Obdachlosenbotschaft will da am Ball bleiben.
Oben am Aufzug trafen wir noch viele hungrige Leute, einige kannten wir noch gar nicht. Ein Brüderpaar war total begeistert. Sie hätten uns noch nie gesehen und gar nicht gewusst, dass es uns gibt. Ganz interessiert fragten sie nach unserem Projekt und haben sich immer wieder bedankt.
Unser Rubito stand lange bei uns. Wir haben viel erzählt und dadurch, dass sowohl er, wie ich das Hobby Musik haben, geht uns da der Gesprächsstoff auch nicht aus.
Insgesamt haben wir heute knapp 60 Portionen Suppe ausgegeben, wobei einige einen Nachschlag nahmen.
Heute war es wirklich ein Abend der Extreme: unsere mittellosen aber so dankbaren Leute auf der einen Seite und die langen Tafeln für die Gourmets auf der anderen. Und über dem ganzen Geschehen die Fahnen mit Kochmütze, Besteck, Weinglas und Hummer und dem Schriftzug: Essen genießen. - Verrückte Welt!