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Warm durch die Nacht - Tourbericht 12.08.2015

es wolle unbedingt etwas in unser Sparschwein tun. Sie hätten ihm erklärt, was wir tun und es wolle unbedingt helfen.
Wir zogen weiter zur Marktkirche, wo leider an der Stelle, wo wir uns sonst hinstellen, nun ein großer Bauzaun stand. Es gelang uns dennoch, uns unter das Vordach des dortigen Ladens zu stellen, aber auf die Dauer werden wir uns hier wohl einen anderen Standort suchen müssen.
Ganz in der Nähe kauerte wieder der ältere Pole, den wir bei unserer letzten Tour kennengelernt hatten und der uns erzählt hatte, dass er erst wieder nach Polen zurück kann, wenn er sein Alkoholproblem im Griff hat. Gleich fiel auf, dass es ihm nicht gut ging. Wieder nur mit Gestik erklärte er uns, dass er zusammengeschlagen worden sei und es ihm jetzt nicht gut ginge. Nur mit Hilfe konnte er überhaupt aufstehen und man sah Wunden an seiner Stirn. Essen wollte er nichts aber war dann dankbar für einen Becher Sprudel. Als wir schon wieder weiterziehen wollten, kam er noch einmal auf uns zu und versuchte mühsam, sich verständlich zu machen. Schließlich bekamen wir heraus dass er einen Schlafsack brauchte, denn „Zuhause ist Park“. Als wir die Abdeckung unseres Bollerwagens zurückschlugen und ihm einen Schlafsack reichten, konnte er es nicht fassen. Da hatte er nicht mit gerechnet und bedankte sich mehrmals.
Unser nächster Halt war dann am Dom und es war, wie wir schon vorher vermutet haben. Unsere Stammgruppe vom Burgplatz war am Abend zuvor von der Polizei vertrieben wurden. Der dortige Schulhausmeister hatte mit unseren Leuten eigentlich eine Absprache getroffen, dass sie in den Ferien dort geduldet seien und unsere A., der sich immer um alle kümmert, hätte bei Zeiten am frühen Montagmorgen dafür gesorgt, dass sie alle weichen. Aber das wollte man wohl nicht abwarten und hat deshalb bereits am Sonntagabend durchgegriffen. Wir versorgten einige Leute mit Suppe und Brot und dann kam T. und erzählte uns davon. Er wies uns darauf hin, dass alle nun im Waldhausenpark seien. Dort sei auch P. und dem ginge es nicht gut. Er würde nicht schaffen, bis zum Dom zu kommen.
Also entschlossen wir uns, dieses Mal unsere Route zu ändern, um unsere Leute dort ebenfalls zu versorgen.
Als wir dort ankamen, trafen wir die gesamte Gruppe dort. Sie erzählten uns von der Räumung am Vorabend und sagten, sie würden erst mal hier bleiben. Peter ging es tatsächlich nicht gut. Trotz der Wärme scheint er auch wieder zu wenig zu trinken. Wir ließen ihm eine ganze Flasche Wasser da und er musste uns versprechen, dass er die an dem Abend noch leert. T. war mit uns gekommen und teilte uns dann seine Sorgen mit. Nächste Woche geht er für ca. 12 Wochen in die Klinik zur Entgiftung und braucht dafür noch einiges an Kleidung und anderen Dingen. Wir schrieben eine Liste und wollen alles im Lager für ihn zusammenstellen und es ihm bei der nächsten Tour mitbringen. Eine Jeans, Unterwäsche und Socken konnten wir ihm direkt geben. Gleich wies er uns auf seinen Freund hin, der ebenfalls einiges braucht. Also wurde die Liste ergänzt. Auch diesen konnten wir zumindest direkt schon einmal mit einem Schlafsack versorgen. Eine Isomatte hätte er eigentlich auch gebraucht, aber leider haben wir keine mehr im Lager.
Mir imponiert der Zusammenhalt in dieser Gruppe. Jeder sorgt dort für jeden und unser A. als eine Art Anführer geht da, glaube ich, mit gutem Beispiel voran. Er weiß immer, was der Einzelne braucht und oft reichen wir ihm die Sachen und auch die Lebensmittel, mit denen er dann die ganze Gruppe versorgt. So sagte uns auch P. : „Der A. ist der Sprecher unserer Gruppe. Der kümmert sich um alles.“
Nun kehrten wir zurück zur Kettwiger und fanden unterhalb des Willy-Brand-Platzes unseren S., der seit vielen Tagen mit verbundenen Füßen durch die Innenstadt läuft und bei einer der letzten Touren sich weigerte, in eine Klinik zu gehen, als jemand für ihn den Rettungswagen gerufen hatte.
Er war in einem furchtbaren Zustand und unsere Krankenschwester Kerstin nahm sich sofort seiner an.
Die Verbände waren völlig verschmutzt und mussten dringend erneuert werden. Aber was sich darunter verbarg, hat uns alle geschockt. Dickgeschwollene entzündete offene Füße, der Anblick war grauenvoll! Ich will hier gar nicht detailliert diesen Anblick beschreiben, denn uns wurde allen schlecht, als wir das sahen.
S. ließ sich zwar die Verbände erneuern, weigerte sich aber vehement, weitere Hilfen anzunehmen. Wieder behauptete er, in der Klinik würde er ja sofort wieder vor die Tür gesetzt. Marcel, den wir dazu gerufen hatten, telefonierte mit der Leitstelle der Feuerwehr, weil wir eine ärztliche Behandlung in der Klinik für dringend erforderlich hielten und hofften, es gäbe da einen Weg. Aber auch dort sagte man uns, dass gegen seinen Willen nichts zu machen sei. Wir versuchten ihn davon zu überzeugen, dass er in ein Krankenhaus muss, boten ihm auch an, ihn dorthin zu begleiten. Er weigerte sich weiterhin. Er war massiv unter Druck, weil ihm nach seinen Aussagen noch 40 € fehlten für das nächste Heroin.
So richtete er sich wieder auf und versuchte weiter mit Hilfe von zwei Krücken, Geld zu schnorren.
Von F., der mit Mogli dazu kam, erfuhren wir dann, dass am Vormittag im Ärztemobil noch ein Arzt die Füße von S. gesehen hätte, ohne weitere Maßnahmen zu ergreifen. Wir waren fassungslos.
Dieser Anblick und die Situation, hilflos mit ansehen zu müssen, wie dieser Mann regelrecht vor die Hunde geht, und das mitten in der City, hat mich bis in die Nacht verfolgt!
Wir waren lange bei S. und das Suppenfahrrad war schon voraus, um an der Post und dann auf dem Rückweg noch die letzten Suppen zu verteilen. Und tatsächlich blieb nichts mehr übrig.
Bis kurz vor 10 Uhr hatte uns übrigens wieder der leicht geistig behinderte Junge N. begleitet, wo wir seit Tagen versuchen herauszufinden, wer ihn betreut. In Absprache mit A., der ihn ja unter seine Fittiche nahm und dessen Annäherung an die Obdachlosen ebenfalls mit Sorge sieht, konnten wir heute endlich die zuständige Stelle informieren. Wir finden, ein geistig behinderter Jugendlicher ist in diesem Milieu gefährdet. Nun sind wir erleichtert, dass die zuständige Sozialarbeiterin informiert ist und sich kümmern wird.
Es war eine heftige Tour mit vielen Szenen und Begegnungen, die bei uns allen noch nachwirken.
Manches habe ich sicher ausgelassen, denn es lief vieles parallel, wodurch ich es nicht mitbekam.
Gut, dass wir so viele waren, wir wurden alle gebraucht!



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