Warm durch die Nacht - Tourbericht 20.08.2015
n wieder Bea und Hendrik mit im Tourenteam, sodass sie sich der beiden annehmen konnten und teils in Russisch, teils in Ungarisch beraten konnten. Es gibt große Probleme mit den Behörden und mit der Krankenkasse.
Inzwischen zog der Rest des Tourenteams schon mal weiter Richtung Marktkirche. J. begleitete uns und half sogar beim Ziehen der einzelnen Hackenporsche und des Bollerwagens. Er wollte nun scheinbar wirklich zur Polizeiwache, um eine Diebstahlsanzeige zu machen. Wir verabredeten mit ihm, dass er anschließend, wenn er das tatsächlich erledigt hat, nochmal zu uns kommen soll und dann auf jeden Fall nochmal einen Nachschlag Suppe bekommt. Diese Verabredung hat er aber leider am Ende nicht eingehalten. Wir sahen ihn an dem Abend nicht mehr.
An der Marktkirche herrschte dann aber ein solcher Andrang, dass wir über Handy Hendrik und Bea, die noch unten am Nord das Paar berieten, herbeirufen mussten, denn sonst hätten wir das nicht bewältigen können, da dieses Mal das Team kleiner war.
Alle hatten Hunger und die Nachfrage nach Kleidung und vor allem Schuhen war sehr groß. Und zum Glück fanden wir für viele ein passendes Paar in unserem Gepäck.
Wir zogen weiter zum Dom, wo wir eigentlich erwarteten, unsere vertraute Gruppe vorzufinden. Aber wir trafen niemanden an. Nur der Mann, mit dem ich vor einigen Wochen mal ein längeres Gespräch hatte über den Tod seiner Mutter und die Trauer um sie, lief an uns vorbei, reagierte aber nicht, als wir ihn ansprachen. Stattdessen setzte er sich abseits auf eine Treppe und dann sahen wir plötzlich, dass er bitterlich weinte. Ich setzte mich zu ihm und versuchte, herauszubekommen, was passiert war. Er erzählte, dass es eine Stunde vorher zu einer Schlägerei gekommen war. Jemand habe ihn und seine Mutter beleidigt und daraufhin sei er durchgedreht und habe mehrmals mit der Faust zugeschlagen. Unter Schluchzen berichtete er weiter, ein Krankenwagen sei gekommen und die Notärztin habe anschließend zu ihm gesagt, sein Gegner läge im Koma. Nun kam er gerade von der Polizeiwache. Er habe ein ganz schlechtes Gewissen, er wolle doch nichts Böses tun und es täte ihm so leid. Aber auf seine Mutter ließe er nun mal nichts kommen. Er wolle nicht mehr leben, sein Leben sei kaputt und er betete jeden Tag, dass er sterben und zu seiner Mutter könne.
Er war nicht zu beruhigen, wollte nichts essen und trinken. Schließlich lief er wieder, wie vor Wochen auch schon mal, davon.
Er hatte sich in den letzten Wochen der Gruppe rund um A. angeschlossen. Dort haben wir ihn mehrmals gesehen und zu der Zeit hatten wir auch den Eindruck, dass es ihm ein wenig besser ging.
Ich hatte ihn dann auch gefragt, ob er wüsste, wo die anderen sind. Bei der Gelegenheit hat er dann erzählt, dass unser P. 3 Tage im Krankenhaus war nach einem Sturz durch einen Krampfanfall, jetzt aber wohl wieder entlassen sei. Er vermutete, dass alle im Waldhausenpark seien.
Um nicht vergeblich mit dem ganzen Fuhrpark bis zum Waldhausenpark zu müssen, lief Ingrid eben alleine, um nachzusehen, denn wir machten uns vor allem um unseren P. Sorgen. Leider hat sie auch dort niemanden angetroffen.
Also zogen wir weiter Richtung Willy-Brand-Platz. Auf halbem Weg fiel uns eine größere Gruppe Menschen auf und als wir näher kamen, stellten wir fest, dass sie alle um S. herumstanden, der, wie in den letzten Tagen, mit seinen verbundenen Füßen auf dem Boden saß. Die Leute drum herum waren erschüttert wegen seines Zustandes und wollten Maßnahmen ergreifen. Wir kamen dazu und versorgten ihn mit Wasser. Essen wollte er nichts. Stattdessen schimpfte er kräftig über den Vorfall am Vortag.
Drei Leute von uns hatten ihn auf seinen Wunsch hin ins Krankenhaus begleitet und wir alle hatten schon gehofft, dass er sich nun endlich helfen lässt. Dort kam er dann aber mit dem Arzt nicht zurecht und geriet in Panik, da man ihm weder eine Ersatzdroge geben konnte, noch irgendeine Perspektive, außer einem „kalten Entzug“, was einem schwer abhängigen Menschen natürlich wahnsinnige Angst macht. Also war er nicht bereit, in der Klinik zu bleiben. Er drehte dann so durch, dass unsere Leute ihn auf dem Rückweg nicht weiter betreuen konnten.
Während wir noch mit ihm sprachen, fuhr plötzlich ein Rettungswagen heran und als die Sanitäter auf ihn zugingen, wiederholte sich die gleiche Szene, die wir vor zwei Wochen schon einmal erlebt hatten. Er schimpfte über die Krankenhäuser und weigerte sich, mitzufahren. Hendrik, der am Vortag dabei war, klärte die Sanitäter auf. Eine weitere Frau, die ihn wohl kennt, kam dazu und schimpfte mit ihm, dass er nicht, wie sie, bereit ist, eine Entgiftung zu machen, er habe ja schließlich die Einweisung. Offensichtlich war sie auch diejenige, die den Rettungswagen gerufen hatte. Auch die Sanitäterin bemühte sich mit Engelsgeduld um ihn, erreichte aber nichts. Schließlich ließ sie sich von ihm unterschreiben, dass er nicht mitfahren wollte und der Rettungswagen rückte wieder ab.
Wir wollen weiter uns um ihn bemühen und erarbeiten gerade einen Weg, wie wir ihn außerhalb der Touren versorgen und betreuen können. Zum Glück gibt es bei EPA ja einige Leute vom Fach, die zumindest eine regelmäßige Wundversorgung durchführen könnten und das in den letzten Tagen ja auch schon mehrmals gemacht haben.
Inzwischen war ein Teil des Teams weiter zur Post gezogen, weil die Leute dort warteten. Wir konnten noch einige mit Suppe, Gebäck und reichlich Kleidung versorgen. Auch die Hündin Mina bekam ihr Futter und ihr Leckerli.
Und dann kam F. mit Mogli. Er hat sich wahnsinnig gefreut, dass wir ihm nun endlich Frontline geben konnten, denn Mogli leidet wohl sehr unter Zeckenbissen. Außerdem hatten wir neulich von unserem sehr erfolgreichen Spendenaufruf für Hundefutter erzählt, den wir ja so geschrieben hatten, als würde Mogli selbst posten, und dass sein Mogli jetzt unser „Fellnasenbotschafter“ sei.
Damit er sich das vorstellen kann, haben wir ihm von diesem Post einen Screenshot ausgedruckt und mitgebracht. Darüber hat er sich sehr gefreut, fragte mehrmals nach, ob er das behalten dürfte.
Wir versorgten ihn nach dem Essen noch mit einigen schönen Kleidungsstücken und Mogli natürlich mit Futter und Leckerlis. Sie kennt uns schon genau und kommt immer gleich schwanzwedelnd zum Bollerwagen.
Noch auf dem Platz reinigten wir das Suppenfahrrad, denn es war alles verteilt. Auch die Berge an Kleidung, die wir auf dem Bollerwagen hatten, fanden alle Abnehmer, so dass wir mit leerem Bollerwagen und sauberem Suppenfahrrad den Rückweg antraten.
Leider haben wir viele unserer Stamm-Leute dieses Mal nicht angetroffen und es ist dann immer so, dass wir uns um sie Gedanken machen und auf die nächste Tour hoffen, um zu sehen, dass es ihnen gut geht. Eigentlich haben wir immer einige „Sorgenkinder“ um die wir uns auch außerhalb der Touren Sorgen machen und für die wir Hilfen und Wege suchen.