Warm durch die Nacht - Tourbericht 15.09.2015
los, wie sonst. Wir schauten noch in den Nebenstraßen nach, damit wir niemanden vergessen. Ein junger Punker wollte nur einen Kaffee trinken.
So zogen wir schon bald weiter zum Dom. Wir trafen F. wieder mit seinem Hund Mogli. Beide erhielten ihr Abendessen. Leider mussten wir F. dann aber enttäuschen. Er hatte bei uns beim letzten Mal nach Sportschuhen in Größe 45 gefragt. Wir hatten zwar Schuhe in der Größe dabei, aber es waren eher Seniorenschuhe und die einzigen, die wir in der Größe auf Lager hatten. Nun hoffen wir, dass wir ihm bald seinen Wunsch erfüllen können.
Wie schon bei den letzten Touren erwarteten wir dann am Willy Brand Platz den Hauptandrang. Und genau so trat es ein. Wie gut, dass wir wieder ein großes Team waren, denn es gab alle Hände voll zu tun.
Einige hatten Kleidung vorbestellt, die wir nun übergeben mussten, sie waren alle hungrig, manche brauchten spezielle Sachen und Ingrid lief wieder mit Kladde und notierte sich Wünsche und Namen. Zwischendurch eilte sie zum Lager, um dort noch Dinge zu besorgen, die griffbereit waren wie Decken, Schlafsäcke usw. Dann war auch wieder unser Heißwasservorrat aufgebraucht und wir mussten ins Café Solo, um Wasser nachzuholen.
Und überall Gesprächsbedarf, Fragen, kleinere und größere Nöte und Probleme, mit denen sie sich an uns wendeten.
Unser neu eingekleideter G., der uns immer noch begleitete, wurde wie ein Tourenmitarbeiter von einem Paar angesprochen und vermittelte, damit wir sie beraten könnten. Die beiden waren erst 10 Tage in Deutschland. Er hatte gerade einen Job begonnen bei der DHL. Nun waren die beiden in Not, da sie den letzten 25€-Gutschein aufgebraucht hätten und ihm nicht möglich sei, tagsüber zum Job-Center zu gehen, um dort die letzten Papiere einzureichen, damit er Unterstützung erhält. Er hat Angst, seinen neuen Job zu verlieren, wenn er sich dafür frei nimmt. Seine Partnerin spricht nur Holländisch und Englisch. Das Jobcenter gibt nun kein Geld mehr und die beiden wissen nicht, wie es weitergehen soll. Wir rieten ihnen, sich mit ihren Sorgen am nächsten Tag an die Rechtsberatung in der WiederbrauchBAR zu wenden. Dieses Angebot wollen sie gerne annehmen.
Rund um den Aufzug war es wieder ähnlich unruhig, wie schon bei der letzten Tour. Es wurde gebrüllt, gestritten und man ging sich dort sogar körperlich an. Als sich diese entsprechende Truppe auf uns zubewegte, setzten wir eine ganz deutliche Grenze und baten sie, sich vom Suppenfahrrad zu entfernen, sie würden von uns nichts bekommen, solange sie stritten. Wir fürchteten schon, dass es eskalieren würde und wir die Polizei zu Hilfe rufen müssten. Nach einer gewissen Zeit beruhigte sich die Lage dann aber und sie kamen einzeln zu uns und ließen sich versorgen.
I., die vorher an der Auseinandersetzung beteiligt war und auch mit uns schon mehrmals recht unfreundlich umgegangen war, war nun recht kleinlaut und schließlich äußerst dankbar, als wir ihr Kleidung reichten, um die sie bei der letzten Tour gebeten hatte.
Auch K. der uns bei der Letzten Tour erzählt hatte, dass er ins Krankenhaus müsse, freute sich riesig, als er von uns einen Bademantel erhielt.
Mitten im Gewühl entdeckte ich dann plötzlich M., den jungen Syrer, den wir bei der letzten Tour kennengelernt hatten. Er strahlte, als ich auf ihn zuging, um ihn zu begrüßen. Essen wollte er nichts. Aber wir sprachen eine ganze Zeit miteinander, wieder mit Händen und Füßen. „Ich Moslem, und du?“ wollte er wissen. Als ich ihm sagte, ich sei Christ deutete er sofort mit den Fingern ein Kreuz an und meinet lächelnd „Ah, gut!“ Und dann griff er zum Herzen, wies dann auf alle umstehenden Menschen und sagte: „Deutschland, Moslem Christ, gut, Liebe, Herz!“ und ich glaube, verstanden zu haben, dass er sich willkommen fühlt und, obwohl er selbst Moslem ist, gut mit den Menschen auskommt. Wir teilten ihm dann mit, dass wir ihm bezüglich einer Waschmaschine wahrscheinlich schon bald helfen können. Allerdings benötigen wir noch dringend eine zweite, denn es gibt noch einen weiteren jungen Mann, der schon vor Wochen danach gefragt hatte und dem wir auch unbedingt helfen wollen.
M. erzählte uns vom Deutschunterricht und nannte einzelne Wörter, die er wohl gerade gelernt hatte. „Zitrone“, sagte er und grinste. Wir sprachen noch eine Zeit miteinander und dann reichte er die Hand und sagte „Ich nach Hause jetzt“. Wir sagten ihm noch, dass wir am Freitag wiederkämen und ich bin mir fast sicher, dass wir ihn dann wiedertreffen. Ich habe regelrecht den Eindruck, dass er unsere Nähe sucht, den Kontakt wünscht und die Gespräche mit uns genießt und das kann ja für seine Deutschkenntnisse nur förderlich sein.
Auf dem Rückweg konnten wir noch zwei Menschen glücklich machen mit passenden Schuhen.
Herrenschuhe werden nun aber schon wieder knapp. Wir brauchen dringend jugendliche Herrenschuhe in den Größen 42-45.
Wir verteilten noch die letzte Suppe und das letzte Gebäck. Einen jungen Mann, der uns am Anfang der Tour um einen Schlafsack und eine Isomatte gebeten hatte, konnten wir nun noch ausstatten, da Ingrid alles noch aus dem Lager geholt hatte. „Ihr seid die Engel der Straße!“ erklärte er uns und bedankte sich mehrmals. Am Ende war unser Bollerwagen wie leer gefegt.
G. hatte uns die gesamte Tour begleitet. Man merkte ihm an, wie sehr er den Tag und den Abend mit uns genossen hat. Auch das ganze Team war in einer geradezu fröhlichen Geburtstagsstimmung und wir hatten viel Spaß und haben auch viel gelacht. Ist schon urig, wenn plötzlich Leute aus dem Team Tanzschritte auf dem Willy Brand Platz üben oder Elke und ich einen Gospel aus dem Repetoir unseres Chores anstimmen. Aber irgendwie stach uns der Hafer.
Beim Abschied erklärte G. seufzend: „Boah, das muss ich jetzt erst mal alles verarbeiten!“ und zog zufrieden von dannen.
Ein besonderer gelungener Abend, den auch wir nicht so schnell vergessen werden!