Warm durch die Nacht - Tourbericht 29.04.2017 von Petra
überflüssiger Kleidung (weil in der Garage zu wenig Platz ist), die ich zum Lager bringen muss, beladen. Meine Mädels wurden sehr freundlich von allen aufgenommen. Kadir und Sandra wiesen sie in unsere Hygieneschutzmaßnahmen und an unserem Getränkewagen ein. Ich dachte, es wäre eine gute Idee, bei der sie eine Aufgabe und direkten Kontakt mit den Bedürftigen haben. Wie sich später herausstellte, war es genau richtig. Sie hatten beide sehr viel Spaß dabei. Luisa sagte mir später, dass besonders ein Bedürftiger sehr nett zu ihr war und sooo lustig. Sie beschloss, dass sie jetzt jeden Samstag mitgehen möchte.
An der Gertrudiskirche war richtig viel los. Sodass wir Sorge hatten, das Essen könne nicht reichen. Markus und Kadir sind dann nochmal zur Garage gegangen und haben zur Vorsicht ein paar Dosen Ravioli, die wir immer vorrätig haben, geholt.
Da wir genug Helfer für die Essensausgabe, an den Hygiene- und Getränkewagen sowie den Bollerwagen mit der Kleidung waren, habe ich mich wieder mehr dem Streetworking gewidmet. Das war auch bitter nötig, wie ich feststellen musste!
Ein uns bekannter OFWler erzählte mir, dass er nach seinem letzten Entzug wieder rückfällig geworden sei, wegen dem „scheiss Suchtdruck“. Er sah schlecht aus, so kenne ich ihn gar nicht. Im Gegensatz zu einigen anderen, von denen er sich mittlerweile distanziert hat, weil sie ihn runterziehen, hatte er immer wieder den starken Willen, so schnell wie möglich von den Drogen und der Straße wegzukommen. Obwohl er offensichtlich Magenprobleme hatte, zwang er sich, etwas Warmes zu essen. Ich bot ihm an, ihn in die Ambulanz zu begleiten. Seine Antwort: “Ach, lass mal. Da bekomme ich eh wieder „scheiss Junkie“ zu hören und werde rausgeschmissen“. Am Donnerstag hat er erneut einen Termin zum Entzug. Er hat mir versichert, dass er sich dann gründlich untersuchen lässt. Anschließend möchte er gerne eine Therapie machen und am liebsten weg aus Essen, um nicht wieder durch seine „alten Kumpels“ runtergezogen zu werden in den Drogensumpf. Er hat die Telefonnummer unserer Obdachlosenbotschaft, die rund um die Uhr besetzt ist. Leider gibt es für einige Obdachlose ein neues Problem. Aktuell bekommt man bei diversen Discountern keine Prepaidkarte mehr fürs Handy, ohne seinen Personalausweis vorzuzeigen. Das ist an sich eine gute Sache, um dem Terror die Kommunikation untereinander zu erschweren.
Mitten im Gespräch zog mich Hotti an die Seite und fragte, ob wir evtl. etwas gegen Fußpilz hätten. Das war ja genau mein Thema! Ich zog mich mit der bedürftigen Person ein wenig zurück auf die Treppenstufen. Sie erzählte mir zunächst, dass sie Diabetikerin sei und große Probleme mit ihren Füßen hätte. Ich habe ihre Telefonnummer und werde mal schauen, dass sie eine Behandlung bei uns in der Praxis bekommt. Nachdem sie mir unter Tränen ihre äußerst traurige Lebensgeschichte, die ich hier nicht weiter ausbreiten möchte, erzählt hat, habe ich sie in den Arm genommen und versucht, ihr Mut zuzusprechen. Sie ist eine sehr starke Frau, die von Kind an durch die Hölle gegangen ist. Bisher hatte ich immer einen gesunden Abstand zu den Einzelschicksalen der Obdachlosen. Aber diese krasse Geschichte hat mich sehr mitgenommen und lässt mich immer noch nicht los. Nun ja, auch ihr habe ich die Telefonnummer der Obdachlosenbotschaft mitgegeben. Momentan ist sie auf Wohnungssuche und bekommt auch von anderer Seite Unterstützung. Drücken wir ihr die Daumen, dass bald einmal für sie die Sonne scheint!
An unserer Station bei Toscani kamen die Bedürftigen vereinzelt. Es war aber viel los in der Stadt, sodass es auch diesmal wieder Neugierige zu uns trieb, die mehr über unsere Arbeit erfahren wollten. Unter anderem sprach mich ein Herr auf Englisch an. Er fand es großartig, was wir machen und erzählte mir, dass er der Präsident einer ähnlichen Organisation in Belgien sei.
Unterwegs zum Hauptbahnhof trafen wir noch ein paar Punker, die wir mit Essen versorgten. Überschwänglich haben sie sich bei uns bedankt.
An unserer letzten Station war heute auch nicht so viel los. Da hatten wir untereinander Zeit, uns zu unterhalten und ein paar Gruppenfotos zu schießen. Ein junger Mann aus dem Irak begleitete uns heute zum ersten Mal. Immer wieder betonte er, wie glücklich er sei, dass er uns kennengelernt hat. Im Irak war seine Familie sehr betucht, bis ihr der IS alles weggenommen hat, die Häuser, Autos usw. Er zeigte uns Fotos aus der Zeit, wo es ihm mit seiner Familie gut ging. Nun ist er alleine in Deutschland und immer froh, Kontakte zu knüpfen. Er hat ganz toll Deutsch gelernt und fängt demnächst eine Ausbildung an. Vielleicht können sich die anderen Geflüchteten, die uns schon lange begleiten, mal mit ihm treffen. Er jedenfalls möchte uns jeden Samstag auf Tour unterstützen. Daumen hoch!
Auf dem Rückweg zur Garage trafen wir noch auf B., der schon wieder abgenommen hat und um eine kleinere Jacke bat. Er erzählte uns, dass es schwierig sei, eine Wohnung zu bekommen. Immer würde er nur Absagen bekommen. Da machte ihm unser Markus Hoffnungen. Die Wohnung seiner verstorbenen Oma steht noch leer und soweit er weiß, benötigt man dort einen Wohnberechtigungsschein. Er gab B. seine Handynummer und machte mit ihm eine Uhrzeit zum Telefonieren aus. Hoffen wir mal sehr, dass es klappt!
Als wir zurück an der Garage waren, haben wir spontan beschlossen, im Felis noch ein Bierchen zu trinken. Markus hat schnell einen Tisch für uns reservieren lassen. Es war ein schöner Tourausklang in gemütlicher Runde.
Bis zum nächsten Mal,
Petra