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Warm durch die Nacht - Tourbericht 09.09.2017 von Petra

hungriger Mäuler, als wir eintrafen. Lange konnten wir dort nicht verharren, da uns ein kräftiger Regenguss überraschte. Also zogen wir ein Stück weiter und stellten uns vor dem Lampengeschäft gegenüber unter.
Herr Dirk Heidenblut - Mietglied des Bundestages war sehr engagiert dabei und verteilte fleißig Unterhosen an die bedürftigen Herren unserer Stadt. Dabei war er äußerst gut gelaunt und hatte immer einen flotten Spruch auf den Lippen. Heute zu „ ESSEN.ORIGINAL.“ war es sehr voll in der Stadt. Vor Toskani gab es diesmal keinen Platz für uns, sodass wir uns gegenüber von Burger King postierten. Durch unsere grünen Westen konnte man uns gut ausfindig machen, sodass niemand hungern musste. Wir haben viele Jacken, Hoodies mit Kapuze und Jeanshosen herausgegeben. Es machte Spass, mit musikalischer Begleitung durch die Stadt zu ziehen. Immer wieder machten der ein-oder andere von uns einen kurzen Stopp, da sich Passanten über unsere Arbeit informieren wollten. Wir klärten auf und verteilten fleissig Flyer.
An unserer letzten Station, vor der Hauptpost, wurden wir dann auch die restliche Linsensuppe noch los. Katharina und ich liefen eine Runde durch den Hauptbahnhof, um weiteren Bedürftigen Bescheid zu geben, dass wir mit dem Suppenfahrrad da sind.
Als alle versorgt waren, verabschiedete sich auch ein Teil unserer Truppe, um noch feiern zu gehen oder den Heimweg vom HBF anzutreten.
Vor Tour-Antritt besuchte uns an der Garage ein uns bekannter OFWler , nennen wir ihn Ben. Er sah sehr schlecht aus und sagte mir, dass er nicht mehr kann und dringend jemanden zum Reden bräuchte. Ich versprach ihm, dass ich nach der Tour mit Katharina zu seinem Schlafplatz kommen würde. Er fragte nach der Uhrzeit und meinte, 23 Uhr wäre eine gute Zeit für ihn.

Als unser Equipment wieder ordentlich in der Garage verstaut war, verabschiedeten sich auch die letzten Anpacker unserer Tour. Da es noch früh war, 21.30 Uhr, drehten Katharina und ich ein paar Runden durch nahegelegene Parkhäuser, ums CinemaxX Essen herum und durch die Stadt. Bis wir dann an unserem Treffpunkt auf unseren Schützling warteten. Um Punkt 23 Uhr kreuzte er schwerbepackt mit seinem Hab und Gut auf. Er setzte sich auf den Boden und fing an zu weinen. Dann schüttete er sein Herz aus. Er fühlt sich sehr einsam, die Sucht und seine Erkrankungen machen ihm sehr schwer zu schaffen. Wir bemerkten, dass er einen pflaumengroßen geschwollenen Lymphknoten am Hals hat. Das käme vom HIV-Virus. Desweiteren erzählte er uns, dass er häufig ganz schlimme Panikattacken hat und er Angst vor sich selbst hat. Er würde sehen, wie jemand vor ihm steht und ihm das Herz herausreißt. Und dass die Einsamkeit ihn verrückt werden lässt. Sein einziger Gesprächspartner wäre der Herr dort oben im Himmel. Er erzählte uns, dass er liebend gerne in den Knast gehen würde, um von der Straße und den Drogen wegzukommen. Dazu müsste aber der Haftbefehl „raus sein“. Das gestaltet sich alles schwierig, da er weder einen Personalausweis besitzt noch irgendwo gemeldet ist. Als er dann in sich zusammensackte und von Selbstmord sprach, mussten wir irgendwie handeln. Ich schlug ihm vor, dass wir jetzt sofort gemeinsam zur Polizeiwache gehen und mal nachfragen, wie es mit dem Haftbefehl aussieht. Gesagt, getan! Also gingen wir zu dritt auf die Wache. Dort erfuhren wir, dass der Haftbefehl noch nicht draußen sei und man auch nicht wisse, wann es soweit ist. Und ohne kann man ihn nicht verhaften. Wir bedankten uns und verließen die Wache. Vor der Tür bekam Ben einen erneuten Zusammenbruch. Er weinte und sagte, dass er seinem Leben jetzt ein Ende setzen würde. Er hält das alles nicht mehr aus, nicht einen Tag länger! Katharina und ich schauten uns ratlos an. Was sollten wir tun? Wir konnten ihn ja jetzt nicht so hilflos alleine zurücklassen. Zumal er uns seit Jahren bekannt ist, als äußert sympathischer, zurückhaltender, kranker Mensch. So verzweifelt und blass haben wir ihn noch nie erlebt. Katharina kam die Idee, ihn in ein Krankenhaus zu bringen. Fast vor unserer Nase erspähten wir am Kennedyplatz das „Lager“ des Malteser Essen. Wir wurden sehr nett dort aufgenommen und eine Notärztin unterhielt sich mit Ben, aus dem es wieder weinend heraussprudelte. Dann sagte sie uns, dass er wirklich suizidgefährdet sei und dringend unter Beobachtung ins Krankenhaus muss. Es dauerte nicht lange, dann kam der angeforderte KTW. Ben flehte uns an, ihn nicht alleine zu lassen und ebenfalls zum Krankenhaus zu kommen. Außerdem verriet er uns einen geheimen Schlafplatz eines anderen OFWlers und bat uns, diesem Bescheid zu geben, dass er nun auf dem Weg ins KH sei. Diesen Gefallen taten wir ihm gerne. Dann fuhren wir hinterher. Was uns dort die nächsten vier Stunden erwartete, wurde für uns alle zu einem großen Albtraum! Die Ärztin in der Ambulanz begrüßte uns mit den Worten:“ Wir sind voll und ich habe den ganzen Tag noch nichts gegessen!“...Ben saß mit seinen Taschen in einer Ecke. Wir erklärten der Ärztin, wer wir sind und dass wir uns große Sorgen um Ben machen, da es ihm sehr schlecht geht und er Suizidgedanken hegt. Weshalb die Notärztin ihn ja auch hat einweisen lassen. Antwort der Aufnahmeärztin:“Ah, ein Obdachloser! Ist doch klar, was er hier will. Er schauspielert nur! Sie können nach draußen gehen und versuchen, ein anderes Akutkrankenhaus mit psychiatrischer Fachabteilung anzurufen.“ Bis dahin hat sie weder ein Wort mit Ben gewechselt noch ihn in irgendeiner Weise untersucht! Der Hammer war, dass sie ihm riet, ein Taxi zu nehmen und nach Hause zu fahren! Katharina und ich haben dann 2 Stunden damit verbracht, Telefonnummern auf unseren Handys zu googlen und die umliegenden Krankenhäuser anzurufen. Essen, Heidhausen, Velbert, Velbert-Langenberg, Duisburg, Oberhausen, Hattingen, Bottrop, Gelsenkirchen und ich weiß nicht, wo noch überall.Überall Fehlanzeige; zu voll, kein Einzugsgebiet, keine Psychiatrie usw. Dann ein Lichtblick: ein netter Arzt in einem Krankenhaus in Hamm sagte uns einen Platz zu. Gottseidank! Zwischendurch telefonierten wir mit Markus P., der uns riet, Roland als Fahrer zu bemühen. Räusper, es war mittlerweile 2 Uhr früh. Katharina weckte Roland und zu seinem Leidwesen auch seine Gattin, die not amused über unseren nächtlichen Anruf war. 10 Minuten später kam „unser Bär“ um die Ecke. Katharina und mir schossen Erleichterungstränen in die Augen, dass wir mit dieser verzwickten Situation nicht mehr alleine waren. Leider kam es nicht zu seinem Fahreinsatz, da kurz vor seinem Eintreffen die Ärztin nebst ihrem Bodyguard, dem Pfleger zu uns nach draußen kam, um uns mitzuteilen, dass sie mit dem Arzt in Hamm gesprochen hat und er nun nicht mehr bereit sei, den Patienten aufzunehmen. Dann sagte sie in scharfem Ton zu Ben, der sich kaum halten konnte, dass er seine Sachen aus dem Wartebereich holen soll. Er sagte leise: „Mache ich gleich.“ „Jetzt sofort!“ schoss es aus dem Mund der Ärztin. Zu dritt holten wir die Taschen von Ben, um anschließend durch Verschließen der Tür durch den Bodyguard endgültig ausgesperrt worden zu sein. Nun konnten auch wir nicht mehr. Zu dritt saßen wir nun heulend und zitternd, weil wir die ganze Zeit froren, im Raucherbereich vor einem sehr vollen Aschenbecher! Während ich schreibe, füllen sich meine Augen gerade wieder mit Tränen. Gemeinsam beschlossen wir, nun einfach das nächstgelegene Krankenhaus aufzusuchen. Roland packte Ben mitsamt seinem Hab und Gut ins Auto und mit drei Autos fuhren wir zum nächsten Krankenhaus, allesamt ins Parkverbot, war uns scheißegal!
Der nette Herr in der Aufnahme sah unsere verweinten, verzweifelten Gesichter und hörte sich fassungslos unsere Geschichte des Abends an. „Wie bitte? Man hat sie aus dem Krankenhaus rausgeworfen?“ Freundlich bat er uns, Platz zu nehmen. Dann gab er dem diensthabenden Arzt Bescheid. Nach einer Weile wurde Ben aufgerufen und Katharina begleitete ihn. Ich hielt brav im Wartebereich die Stellung und drückte uns allen kräftig die Daumen. Es war unsere letzte Option. Ansonsten blieb uns nur noch, Ben mit nach Hause zu nehmen. Was sich aufgrund der Entzugserscheinungen, die langsam einsetzten, als schwierig darstellte. Und dann haben wir ja auch noch Familie zuhause, ich z.B. hatte an diesem Abend 6 Kinder. Katharina musste ihren Papa wecken, damit er ihren Hund versorgt, meine Familie konnte mich aufgrund leeren Akkus nicht übers Handy erreichen und machte sich Sorgen. Während ich so wartete, bin ich dreimal von meinem eigenen Schnarchen wach geworden. Es ging nichts mehr. Immer, wenn ich Schritte hörte, hoffte ich, dass es Katharina mit einer guten Nachricht ist. Die Erlösung kam um 4.30 Uhr! Katharina kam und berichtete mir, dass der Doktor Ben auf Augenhöhe und menschlich behandelt hat. Er hat ihn sehr ernst genommen und befohlen, dass man ihn nicht aus den Augen lässt und er sogar zur Toilette begleitet wird. Leider gab es dort keine psychiatrische Abteilung, weshalb der Arzt die Ärztin aus dem ersten Krankenhaus anrief und anordnete, dass Ben ohne Widerrede stationär in der psychiatrischen Abteilung aufgenommen wird. Ein KTW wurde bestellt und wir verabschiedeten uns mit einer Umarmung und dem Versprechen, weiter für ihn da zu sein, von Ben. Dann fuhren wir, nachdem wir uns lange gedrückt haben, nach Hause. Katharina vergewisserte sich per Anruf noch, dass er wirklich stationär aufgenommen wurde. Gestern morgen habe ich auf Station angerufen und gefragt, ob ich ihm etwas bringen soll. Die Krankenschwester war sehr nett und sagte, dass er momentan nichts braucht und sie im Notfall auch einen Fundus an Anziehsachen haben. Sie reichte ihm das Telefon, sodass ich kurz mit ihm sprechen konnte. Es ging ihm nicht gut, aber er war weiterhin bereit, das jetzt durchzuziehen. Die Schwester berichtete mir, dass er nach 24 Stunden wieder entlassen wird. Das bereitete mir Bauchschmerzen. Noch am selben Abend beschlossen wir, die Involvierten, eine Beschwerde über die Ärztin an das Direktoriat des Krankenhauses zu schreiben. Katharina hat es verfasst und Markus hat es noch in der Nacht per Fax verschickt. Ich muss zugeben, dass ich mich heute nicht getraut habe, dort nochmal anzurufen. Umso erleichterter war ich, dass Katharina es getan hat und mir die frohe Botschaft verkündete, dass Ben noch dort ist.
Der Sonntag war emotional schlimm für uns. Man überlegt, ob unser Handeln richtig war. Leider ist es so, dass man nicht sofort einen Entgiftungsplatz bekommt. In der Regel wird man auf eine Warteliste gesetzt und muss sich täglich telefonisch melden. Das kann ein paar Wochen dauern, bis man dran ist.
Wir drücken einfach weiter die Daumen für Ben und wer mag, betet für ihn oder zündet ein Kerzchen an.

Bis zum nächsten Mal...
Petra


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