Warm durch die Nacht - Tourbericht 17.03.2018 von Petra
Sarah und Christian fleißig zugange. Es stießen noch Kathrin, Adham, Hotti und Konrad zu uns. Wir bestückten die Stanleys, das Suppenfahrrad und die Bollerwagen. Es war wirklich eisig kalt.
Auf dem Weg zur ersten Station stieß Jochen mit seiner hübschen Hundedame zu uns. Er hatte uns schon mehrfach unterstützt, unter anderem mit Spenden, und wollte sich mal ein Bild von unserer Tour durch die Stadt machen. Es war gut, dass er dabei war. So hatte ich direkt einen männlichen Begleiter für`s Streetworken abseits der Tour.
Da die Temperaturen deutlich unter minus 5 Grad lagen, waren Carsten und Jan unterwegs, um obdachlose Menschen zum DRK Essen Borbeck zu bringen, damit sie dort im beheizten Zelt übernachten können.
An der Gertrudiskirche kamen noch zwei Helfer mit Klamotten-und Hygienespenden zu uns. Sie hatten von uns gelesen und wollten sich ebenfalls gerne mal einen Tourablauf anschauen. Ohne Scheu packten sie mit an und verteilten fleißig ihre mitgebrachten Sachen. Sie hatten auch einen kleinen Hund dabei und blieben aufgrund der Kälte bis zur zweiten Station. Der Herr (leider habe ich ihre Namen wieder vergessen, sorry) begleitete Christian, um Brötchenspenden abzuholen. Er war eine große Stütze. Auch Nuri, die herzensgute, kam noch hinzu, um uns zu helfen.
Obwohl ich mich sehr warm im Lagenlook eingepackt hatte und schon aussah wie ein Michelin-Männchen, ging die Kälte durch und tat richtig weh. Wir konnten kaum sprechen und kauften uns zu dritt noch unterwegs Handschuhe, da es ohne gar nicht ging. Wie ertragen und überleben es die wohnungslosen Menschen?
Durch die Zello-App auf dem Handy konnte ich mich schnell und unkompliziert mit Carsten verständigen, damit die Menschen vor Ort relativ zügig nach Borbeck gebracht werden konnten. Carsten bekam einen Anruf von der Security im Rathaus-Center, dass dort 3 Personen zum Zelt möchten. Mit Jochen und Hundi zusammen machte ich die drei ausfindig und versicherte ihnen, dass Carsten gleich da sein werde.
Am Suppenfahrrad waren mittlerweile weitere 3 Personen, die dringend einen Schlafplatz benötigten. Es waren bekannte Gesichter. Ich begleitete sie zum verabredeten Ort, wo Carsten sie dann einsammelte.
Während wir mit dem Suppenfahrrad vor der Marktkirche standen, beobachtete ich, wie ein Rettungswagen der Feuerwehr vor Burger King hielt und zwei Sanitäter hineingingen. Durch`s Fenster konnte ich sehen, dass sie bei einem Mann mit ziemlich zerzaustem Haar den Blutdruck maßen. Als ein Sanitäter zum Auto ging, stellte ich mich vor und fragte, ob ich evtl. helfen könne. Er erzählte, dass es sich um einen Obdachlosen handele, der Schwindel angegeben habe. Vermutlich, um einen Schlafplatz im Krankenhaus zu bekommen. Da sie keinen Grund sahen, ihn mitzunehmen, wollten sie einen Schlafplatz für ihn organisieren. Das konnte ich dann übernehmen. Ich unterhielt mich mit D., der wahnsinnige Angst hatte, heute Nacht zu erfrieren. Er war mir bekannt. Bisher hat er unsere Hilfe immer abgelehnt und sich auch auf kein Gespräch mit uns eingelassen. Behutsam tastete ich mich an ihn heran. Ich stellte mich vor und fragte ihn, ob es in Ordnung sei, dass wir uns duzen. Er war einverstanden und erzählte mir, dass er 50 Jahre alt sei und seit circa 20 Jahren auf der Straße lebe. Sein Essen finanziere er durch Betteln. Er hat weder irgendwelche Papiere noch bekommt er Bezüge.
Ich fragte ihn, ob er sich ein Leben jenseits der Straße nochmal vorstellen könne und ob er es möchte. Er bejahte es und ich versprach ihm, dass ich nach der Tour noch zum Zelt nach Borbeck käme und wir uns dann noch einmal unterhalten, wie es mit ihm weitergehen kann. Leider schlief er bereits, als ich gegen 22 Uhr dort ankam.
An der letzten Station, oben bei der Hauptpost, zog ich mit Hotti los, um im und um den Bahnhof herum nach obdachlosen Menschen zu schauen. Da trafen wir auf Christian, der schon mit 4 Menschen auf Carsten wartete. Es kamen noch einige dazu, sodass Christian kurzerhand beschloss, sein Auto zu holen und Carsten im Fahrdienst zu unterstützen. Hotti ging zurück zum Suppenfahrrad, denn dort wurde seine Hilfe dringend gebraucht. Dafür kam Sarah und wir warteten gemeinsam mit den Bedürftigen auf Carsten und Christian. Bis auf eine Person wurden alle abtransportiert. Jan, der Beifahrer von Carsten, stieg freiwillig aus und bot an, mit dem letzten Bedürftigen auf Carsten zu warten.
Da es mittlerweile sehr spät geworden war und Sarah und ich dringend gebraucht wurden, um das Tourenequipment zur Garage zurückzubringen, waren wir sehr froh und machten uns auf den Weg. Ich nahm alle Helfer feste in den Arm und entschuldigte mich, dass wir sie so lange in der Eiseskälte haben bibbern lassen. Der ganze Trupp hatte Verständnis und Konrad, der uns zum ersten Mal begleitete, sagte sogar, dass es ihm viel Spaß gemacht habe und er gerne demnächst wieder dabei wäre. Ach das fand ich toll!
Während wir auf dem Rückweg waren, bekam ich über Zello die Nachricht, dass sich noch jemand im Rathaus-Center aufhalten soll, der einen Schlafplatz benötigt. Um Carsten die Arbeit zu erleichtern, seilte ich mich mit dem Kaffeewagen und einer Ikea-Tasche mit Wolldecken von den übrigen Tourgängern ab, um in der Galerie nach dem Obdachlosen zu suchen. Nachdem ich halb durch war, entdeckte ich jemanden, der auf einer Bank lag. Leise sprach ich ihn an und fragte, ob er einen Schlafplatz benötige. Sofort setzte er sich auf und bejahte es. Es war schon ziemlich spät und ich muss zugeben, diese Person löste ein wenig Unbehagen in mir aus. Er war sehr kräftig, trug einen Vollbart und schaute mich sehr durchdringend mit seinen fast schwarzen Augen an. Dazu trug er eine schwarze Cap und darüber eine schwarze Kapuze. Über Zello sprach ich mit Carsten und Katharina.
Einen Tag zuvor gab es einen Vorfall beim DRK. Eine der Helferinnen war kurz mit einer Person alleine im Duschraum, da jemand anderes Duschzeug holte. Diese Person nutze die Chance und holte sein bestes Stück raus. Die Helferin hat sich dann natürlich sofort entfernt. Laut ihrer Beschreibung könnte es sich um die Person handeln, mit der ich jetzt alleine da stand.
Ich beschloss, ihm nur den Weg zu zeigen, wo Carsten ihn dann einsammelt, statt ihn zu begleiten.
Dann machte ich mich flott auf den Weg zur Garage, um die Klamotten zu verstauen und mich von allen lieben Tourteilnehmern zu verabschieden.
Sarah und ich fuhren dann mit den Essensresten zum DRK, wo auch Christian noch hinkam. Dort bot sich uns ein gemütliches Bild. Menschen unterschiedlicher Nationen, Kulturen, Religionen und Hautfarbe saßen friedlich beisammen und spielten Karten. Es wurde gelacht und für einige Stunden ihr Schicksal vergessen. Eine junge Frau, die wir zuvor am Suppenrad trafen, kam mitsamt ihrem Sportkinderwagen, auf dem sich ihr süßer Hund und ihr ganzer Hausstand befanden, mit öffentlichen Verkehrsmitteln zum Zelt. Leider passte nicht alles ins Auto, was für sie kein Problem war. Sie wurde vor drei Tagen unglücklicherweise auf die Straße gesetzt. Mal schauen, ob wir ihr auf dem weiteren Weg helfen können.
Katharina und Alicia sind noch mit einem Bedürftigen zum Krankenhaus gefahren, da er seit einiger Zeit Blut im Stuhl und eine gebrochene Rippe hat. Es gab einige Komplikationen, da er keinen deutschen Pass hat und polnischer Herkunft ist. Auch das wurde niederschwellig und unkompliziert gelöst. Ich bin stolz auf`s ganze Team, welches Hand in Hand mit Herz funktioniert und so viel gemeinsam schafft!
Schweren Herzens musste ich gegen 00.30 Uhr Abschied nehmen, da mein Wecker wieder um 5.30 Uhr ging. Durchgefroren, mit glücklichen und traurigen Gedanken, bin ich dann in mein warmes Bettchen gekrabbelt. Vielen lieben Dank an das ganze Team, was maßgeblich daran beteiligt war, dass wir Menschen vor dem Erfrierungstod gerettet haben! Und morgen geht es weiter!
Bis bald
Petra