13 Stunden für Essen packt an im Einsatz –Tagesbericht (Markus P.)
einer Plattform in der Stadt Essen, die es dazu gibt, erhalten. Leider sind daran –aus unserer Sicht- nicht alle Akteure beteiligt und das Format ist die „Alltagsarbeit“. Aber wir freuen uns, uns auch hier im Juni einbringen zu „dürfen“. Im Gegensatz zu einer Konferenz, die Visionen, Ideen, Chancen und Möglichkeiten für die Zukunft aufzeigen soll. Dieses Konzept einer Konferenz wurde leider nicht von allen beteiligten Akteuren genutzt. Zum Teil, auch offen kommuniziert, weil es am Wochenende sei. Wir als Ehrenamtliche können aber im Regelfall halt nur am Wochenende oder am Abend. Sonst müssen wir, im Gegensatz zu öffentlichen Stellen mit Hauptamtlichen, Urlaub einreichen. Urlaub fürs Ehrenamt anstatt Dienstreise oder flexible Arbeitszeit. Hier müssen staatliche und kommunale Stellen mal ernsthaft drüber nachdenken, ob ehrenamtliche Engagementsförderung nicht nur eine Floskel ist. Ernsthaft geht anders. So, genug die Rahmenbedingungen kritisiert.
Mein EPA-Tag fing schon während des „fertig Machens“ an. Parallel zum Anziehen und schick Machen (ok, war ein Versuch! ;) ) füllte ich die EPA-Thermoskannen mit Kaffee, damit wir direkt in die Konferenz einsteigen konnten. Denn schon am Vortag haben wir die Tische, Präsentationsmappen usw. herrichten können. Katharina bot sich an, Brötchen zu machen. Um ca. 10 Uhr wollten wir uns dann mit Astrid & Susanne am Friedrich-Uerlichs-Haus an der Kirche St. Gertrud treffen. So ein Samstagmorgen kann grausam sein, doch nicht für uns. Mit einer kleinen Verspätung waren wir alle um 10:20 Uhr vor Ort und konnten die letzten Handgriffe erledigen. Und dann kam schon der erste Gast mit dem Fahrrad. Völlig tiefentspannt. So, wie es sein sollte. Denn wir möchten keine verbissenen Tagesordnungspunkte, Termine usw. Der Tag fing schön an. Wir stiegen in die Gespräche in gemütlicher Atmosphäre ein.
Wir sprachen über die Aktivitäten der einzelnen Gruppierungen, über Problemfelder und über, natürlich, viele Herzensangelegenheiten. Wir kamen auf den Raum 58, der Notunterkunft der Stadt Essen für jugendliche Wohnungslose. Und ich persönlich finde es einen Skandal, dass diese sehr wichtige Einrichtung in Essen nicht komplett von der Stadt Essen bezahlt wird. Die Träger müssen sich immer wieder Gedanken über Spenden machen, um diese wichtige und elementare Arbeit stemmen zu können. Eine Stadt wie Essen sollte sich hier ernsthafte Gedanken machen, ob die 8 Notschlafplätze nicht eine allgemeine, kommunale Aufgabe sind und wir alle als Bürger dafür zu 100% aufkommen sollten. Wenn ihr anderer Meinung seid, so könnt ihr mir dies gerne als Kommentar drunter schreiben. Wenn ihr auch der Meinung seid, schreibt eure Essener Politiker an, damit dies von allen unterstützt wird.
Und wir sprachen auch rein beiläufig darüber, dass wir am 17.6. ein Haare-Schneiden & Fußpflege-Angebot für Wohnungslose und Bedürftige am Weberplatz (16 Uhr, altes China-Restaurant) anbieten. Da dies als Einmal-Event bzw. unregelmäßig geplant worden ist, wie „Warm durch die Nacht“ oder wir überhaupt ;) ), hatten wir keinen zweiten Termin geplant. Da kam uns das Angebot einer Organisation gerade recht, die in ihren Überlegungen so weit ist, dass dies regelmäßig und auch aufgeteilt auf das Geschlecht inkl. duschen möglich gemacht werden kann. Uns ist es völlig egal, wer da später auf der Verpackung steht. Uns ist wichtig, wie bei der „ Mobile Retter App“, dass es „nach Essen“ kommt. Ganz simpel. Wir stoßen es gerne an, wir machen es auch selber. Je nach Situation. Wie schon bei „Warm durch die Nacht“, was wir jetzt seit knapp 2,5 Jahren kontinuierlich machen, oder der SATTiertafel Essen e.V., die wir ausgegliedert haben und die ihr „eigenes Dingen“ macht. Wir sind gerne eine Ideenschmiede, wenn wir es nicht selber stemmen können oder später müssen. Denn mit den freien Ressourcen können wir noch einige, weitere „Spinnereien“ auf die Beine stellen. So wie unsere kommende Aktion, die wir mangels Zeit nicht mehr vorstellen konnten. Denn nach dem „Haare schneiden „ ist vor …. Top Secret.
Wir haben letzten August nach dem massiven Umbruch immer wieder betont, dass Obdachlosigkeit bei uns ein 365 Tage-Thema ist. 24 Stunden am Tag, 7 Tage die Woche. Wir möchten den Menschen ein selbstbestimmtes Leben ermöglichen und dennoch mit ihnen immer wieder sprechen können. Auf Augenhöhe. Dieses „auf Augenhöhe“ verbindet die Teilnehmer der 1. Obdachlosenkonferenz.
Teil der Konferenz war auch die optionale Teilnahme an der „322. Warm durch die Nacht Tour“. 322 Mal und ursprünglich als Einmal- oder Spontanevent geplant. Und das bei einer unfreiwilligen Unterbrechung von 3 Monaten. Sonst wären es ca. 15 mehr.
Für Katharina und mich ging es dann zur „Tour“. Wir wollten beide nur mal schauen, wer heute da ist, ob Hilfe benötigt wird. Wir kamen an unserer Garage an und da waren schon Siamand, Hotti, Kadir, Markus C und der neue „Leon“ fleißig am sortieren, packen, koordinieren. Es kamen Steffi und Christian, der die Suppen von Sengelmannshof abgeholt hatte, dazu. Es blieb aber nicht bei den 3 Gastrobehältern mit Suppe, es wurde auch noch Kuchen gespendet für die heutige Tour. Neben den Teilchenspenden von Bäcker Peter schien es heute eine sehr „süße Tour“ zu werden. Es wurde erklärt, wer was machen soll. Ich antwortete auf dem Weg zur Garage auf Katharinas Frage, ob wir auch Kondome hätte, großspurig mit „Ja“. Diese Info war falsch, wir hatten mal welche. Ich fand dies sehr gut, somit ging ich los und kaufte mal eben einen Beutel Kondome. Als „erste Hilfe“, ein Dauerzustand, diese zu kaufen, soll es nicht werden.
Zu neunt starteten wir dann mit Suppenfahrrad und Bollerwagen. Normalerweise ist am Monatsanfang nicht viel los. Also ging ich von einer ruhigen Tour aus. Auch wenn vom Sengelmannshof, von Bäcker Peter und mit den Überbleibseln der Obdachlosenhilfe-Konferenz eine Riesenmenge an Essen da war.
Während der Tour kamen noch Carsten, Janine, Adham, Ali und Khalaf an verschiedenen Stationen dazu. Bevorzugt wurden heute kalte Getränke genommen, der Kaffeekonsum hielt sich in Grenzen. Wie zu erwarten. Wir standen dann wie gewohnt an der Kirche St. Getrud und zogen nach ca. 45 Minuten hoch Richtung „Toscani“. Wir hatten übrigens neben den süßen Dingen auch was für die Gesundheit bekommen: Eine volle Kiste Bananen. Etwas zu viel für die Menschen auf den Straßen Essens. Da kam mir die Idee, der vorbeilaufenden Gruppe eines Junggesellinnen-Abschieds Bananen zu geben. Es kann ja neben dem Alkohol nicht schaden, eine gesunde Banane zu essen. Das Tolle war, sie haben ihren „Junggesellinnen-Abschied“ unterbrochen und sich intensiv über unsere Arbeit informiert. Wie auch viele, andere Passanten durch diese Gruppe animiert worden sind, sich zu informieren. Es war ein Glückstreffer; wir wünschen dem Brautpaar alles Glück dieser Erde! Denn eines ist bei aller Ernsthaftigkeit auch klar: Der Spaß darf nicht zu kurz kommen. Und ja, manch ein Witz oder eine Blödelei geht mal daneben. Aber das Team-Klima war noch nie so gut, bei total wechselnden Tourengängern.
Nach dem küssenden Intermezzo ging traditionell weiter zum Willy-Brandt-Platz, wo wir uns ebenfalls etwas länger aufhielten, um jeden zu erreichen. Aufgrund der hohen Anzahl an Tourengängern konnten wir uns mit zwei Teams am Hauptbahnhof umschauen. Wir schauten nach Neulingen, Gestrandeten und älteren, hilflosen Personen. Alles, was uns auffiel. Denn unsere Arbeit besteht nicht nur durch „Obdachlosenhilfe“.
Ich blieb mit den anderen zurück am Suppenfahrrad. Ein Anruf von Markus C.: „Markus, komm mal bitte schnell mit!“. Wir liefen Richtung „Zur Freiheit“, der Südseite von unserem Hauptbahnhof. Dort wartete das Team um den neuen Leon. Sie hatten jemanden auf der Treppe gefunden, der zunächst nicht ansprechbar war. Mittlerweile war er leicht ansprechbar. Aber es war nicht erkennbar, ob es „nur“ Alkohol bei den Temperaturen war oder mehr. Wir riefen, da er phasenweise doch weggetreten wirkte, vorsorglich „112“. Die waren sehr schnell und freundlich vor Ort, haben alles im Griff gehabt. Leider war es die freie Entscheidung des Mannes, nicht mit ins Krankenhaus zu kommen. Er torkelte seines Weges. Wir dachten alle „Bis gleich, da sind wir leider nicht mehr da“.
Zurückgekommen am Willy-Brandt-Platz ging wenig später wieder Blaulicht in die Richtung und ich dachte, da hat der nächste einen Notruf abgesetzt. Klar ist, dass es schwer zu entscheiden ist, wann man die 112 wählt. Denn sie sind kein Taxi-Unternehmen, sie sind aufopferungsvolle Helfer. Die einen Job machen, um den ich sie nicht beneide. Jeden Tag so etwas mitzuerleben, wäre mir zu viel. Und an diesem Tag wurde dies auf eine harte Probe gestellt.
Kurz nach dem Blaulicht sagte Markus schon wieder, dass er meine helfenden Hände benötige und ich die Latexhandschuhe anziehen solle. Der nächste Erste-Hilfe Fall. Verband anlegen bei einer Wade eines unserer Kunden. Wir machen hier unsere Pflicht und verbanden dies ordnungsgemäß, in der Hoffnung, dass er am Dienstag das Arztmobil aufsucht, um die Wunde ärztlich und nachhaltig versorgen zu lassen.
Kaum erledigt, ging es weiter. Jemand mit gebrochener Hand wollte auch versorgt werden. Die Umstände, ob es einen Gips gibt oder nicht, sind uns im Falle der Ersten Hilfe egal. Da nehmen wir die Menschen so, wie sie sind, auch wenn wir unisono das Gefühl haben, sie erzählen uns Quatsch. Auf Augenhöhe, wir wissen nicht, ob es Scham ist, das fehlende Geld oder andere Gründe, dass man nicht das Arztmobil oder Kosmidion aufsucht.
Zwischenfazit kurz nach 21 Uhr: 3x Erste Hilfe, einmal mit RTW, Suppe fast leer, Brötchen & Teilchen nahezu weg, die restlichen nur noch ca. 8 Bananen regten mich ebenfalls zum Nachdenken an.
Die Tour verlief wieder anders als erwartet, wer also ein bisschen Abenteuer ohne Übermut sucht, ist garantiert richtig auf diesen Touren. Dazu kann man noch viele, nette Menschen kennenlernen, auf beiden Seiten des Suppenfahrrads. Ich für meinen Teil habe im Sommer am Monatsanfang noch nie so einen Andrang miterlebt. Unsere Obdachlosenbotschaft hatte ebenfalls alle Hände voll zu tun, viele tolle, spannende und interessante Gespräche. Und ein gutes Gefühl, dass der ein oder andere die Kurve in ein anderes Lebensumfeld in „Angriff nimmt“.
Wir gingen zurück zur Garage. Wieder erwartete ich Routine. Wir säuberten noch das Suppenfahrrad und verstauten alles wieder ordentlich in der Garage. Da ich kurz zur Toilette musste, ging ich mit Kadir (nein, ich bin nicht weiblich, er hatte das gleiche Bedürfnis ;) ) auf Toilette. Als ich rauskam, fragte mich Feli vom Felis, ob wir einen Sanitäter in den Reihen haben, sie mache sich Sorgen um einen Gast, der grade nach Hause in die Nachbarschaft gegangen sei. Ich sagte „Nein, aber mehrere, vor kurzem ausgebildete Ersthelfer“. Und wenn es sie beruhigen würde, würden wir uns das mal kurz anschauen. Also haben Kadir und ich den Mann aufgesucht, seine Ehefrau machte sich auch noch Sorgen. Meine Einschätzung war, dass dieser Mann dehydriert war und dringend Wasser zu sich nehmen sollte. Der Mann war ansprechbar, sprach flüssig und koordiniert. Ich gab den Tipp, noch ein bisschen Wasser nach dem Weißwein zu sich zu nehmen und stets ausreichend zu trinken, gerade bei dem aktuellen Wetter. Und ich bat ihn, seiner Frau nicht böse zu sein, wenn sie in zwei oder drei Stunden den RTW rufen müsse, weil sich die Situation nicht deutlich verbessert habe und sie sich erneut Sorgen mache.
Nach den 13 Stunden habe ich erneut einen Riesenrespekt für die Feuerwehr Essen und Notfallsanitäter gewonnen. Aber mein Respekt für Sozialarbeiter, die nur Dienst nach Vorschrift machen und den Schreibtisch von ca. 8 bis 16:30 maximal kennen, ist geschwunden. Natürlich nehmen beide Schicksale mit in den Schlaf bzw. müssen abgeklärter werden. Wenn Rettungskräfte nur Dienst nach Vorschrift machen würden, wäre unsere Welt, unser Zusammenleben um vieles ärmer. DANKE. Das kann man nicht oft genug sagen.
An dieser Stelle, kurz vor unserer 3-Jahres Feier, einen Dank an alle, die Essen packt an! so groß und stark gemacht haben. Egal, ob sie sich dann ins Privatleben verabschiedet haben oder andere, ehrenamtliche Organisationen wie THW, DRK, NABU oder neue Organisationen wie WddN Essen e.V.Info und SATTiertafel Essen e.V. unterstützen. Ich freue mich über viele Rückkehrer und wenn es nur zur Party am 10.06.2017 (Hafenstr. 181/Landhaus Vogelheim) ist.
Wir sind u. a. Grüne Hauptstadt Europas - Essen 2017 geworden, weil die Resilienz* der Bevölkerung international gelobt worden und ein Unikum ist. Die Bürger von Essen sind zu Recht Grüne Hauptstadt geworden.
*Resilienz (von lateinisch resilire ‚zurückspringen' ‚abprallen') oder psychische Widerstandsfähigkeit ist die Fähigkeit, Krisen zu bewältigen und sie durch Rückgriff auf persönliche und sozial vermittelte Ressourcen als Anlass für Entwicklungen zu nutzen.