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Neues aus der Obdachlosenbotschaft: Eine gemeinsame Nacht mit T. und A. auf dem Essener Hauptbahnhof (von Michael)

Repressalien gegen ihn und die Menschen die am Bahnhof leben. Von Betreuern, die Papiere einbehalten und offenbar wegen des geldwerten Mandats kein großes Interesse an einer Wiedereingliederung dieser Menschen in die wohnende Gesellschaft haben. Von Jugendlichen und dunklen Gestalten, die Ihn und andere die Treppe hinunter schubsen, die letzten Habseligkeiten klauen, schlafende am Boden treten und davon, auch immer wieder mal bespuckt zu werden.
Wie Müde er manchmal ist und ihm manchmal immer wieder die Aussichtslosigkeit seiner Situation bewusst wird.
Er fängt bei diesen Worten stark an zu zittern und ich frage Ihn ob es ein Tremor vom Alkoholentzug sei. Er bestätigte mir dies mit traurigen Augen und erklärte mir, dass man in seiner Situation eben immer wieder mal zur Flasche greift, um einschlafen zu können und um die vielen Abneigungen besser ertragen zu können.
Auch wenn ich Alkoholismus nicht gut heissen und fördern will, so kaufte ich dennoch zwei frisch gezapfte Biere für ihn und mich um unsere Gespräche wieder auf das Leben lenken und um ihm etwas Erleichterung verschaffen zu können.
Und ein frisch gezapftes Bier ist eben kein Doppelkorn von der Bude. Dank eines Besuchs am Geldautomaten während unseres Spaziergangs, war ich ja inzwischen wieder frisch auf der Tasche.

Wir gingen gemeinsam an Polizeiwagen, Schlägereien, wartenden Menschen und Sicherheitsleuten vorbei und sprachen einfach weiter.
Er findet es schlimm, das Leute sich schlagen, harte Drogen nehmen und sich somit in noch tiefere Probleme begeben. Er versucht von all dem Abstand zu halten, denn irgendwann hofft er immer noch auf eine Wohnung und ein Leben zurück in die Normalität auch wenn die Zeichen insgesamt sehr schlecht für ihn stehen. All das mit Tränen und in Augen und ohne dabei um Mitleid zu buhlen.
Er stellte mir noch einige Menschen am Bahnhof vor und erzählte mir auch von Ihren Geschichten und Schicksalen die diese Menschen zum Leben auf dem Bahnhof getrieben haben.

Nach diesem langen und ausgiebigen Spaziergang durch das Bahnhofsgelände zeigte er mir seinen Schlafplatz und wir verlegten unsere Gespräche dorthin. In einer kleinen Wartehalle lag A. auf dem Boden neben einer Fastfoodtüte und einem Colabecher und schlief. Sie passen ein bisschen aufeinander auf und verlieren sich nicht aus den Augen, falls einem mal wieder etwas zustößt oder angetan wird. Hier gibt es keinen Alkohol und A. trinkt auch nicht sagte er nicht ganz ohne Stolz.

Der Morgen brach bereits an und eine Reinigungskraft erschien in der Nähe, A. wachte auf und stellte sich vor. Wir erklärten ihr, weshalb ich als Gast hier sitze und warum.
Ich wurde noch mit einigen weiteren Informationen versorgt und von A. gefragt, ob es nicht unfair sei, wie man mit T. umgehen würde und wie unwürdig das alles sei. Obwohl Sie eigentlich das gleiche Schicksal teilt, kein Ton über sich selbst, sondern über die Trauer wie man mit den anderen hier umgeht.

Nach einer kurzen Rauchpause verbunden mit dem festen Versprechen, gleich zurückzukommen ging ich in die Bahnhofshalle und fragte eine Sicherheitskraft am Rande einer Gruppe, an wen sich ein obdachloser Mensch im Bahnhof wenden kann wenn ihm Übel mitgespielt würde und warum die Bahnhofsmission eigentlich geschlossen sei. Die monotone Antwort fiel erschreckender aus, als ich sowieso schon befürchtet hatte.
Er: „Diese Personen haben Hausverbot“
Ich: „Das war nicht meine Frage, ich möchte gerne wissen, wo sich die Menschen in der Not Hilfe holen können“
Er: „Ich wiederhole mich nicht noch einmal, diese Personen haben Hausverbot“

Ich ging sehr ernüchtert wieder zu T. und A. und fragte mich, weshalb der Sicherheitsmann über Personen spricht und ich nur nach einer Möglichkeit des Hilfesuchens gefragt hatte.

T. erwartete mich mit Tränen in den Augen und voller Emotionen, dass ich Wort gehalten hatte und nicht einfach verschwunden bin. Ich habe lange überlegt ob ich hier noch schreiben soll, dass er aus Angst mich zu verpassen, seinen Gang zur Toilette vermieden hatte und ihm daher ein Malheur passiert ist. Aber ich finde, es zeigt was ihm die gemeinsame Zeit bedeutete und sollte daher nicht weggelassen werden.

Ich gab ihm die Rufnummer unserer Obdachlosenbotschaftlerin als Möglichkeit sich im Dschungel der Behörden Rat und Hilfe holen zu können.

Zum Anbruch des Tages lud ich die beiden noch zum nächsten Haareschneiden am Weberplatz ein und berichtete über die samstäglichen Suppentouren, die Möglichkeiten an neue Kleidung zu kommen und ein offenes Ohr von uns zu erhalten.

Zum Ende meiner gemeinsamen Nacht nahm ich T. neben mir lange in den Arm und er weinte sehr lange und bitterlich bevor er in meinen Armen einschlief.

Ich weckte ihn vorsichtig und entschuldigte mich, da ich nun zurück in mein warmes zu Hause gehen muß und ich die beiden nun leider wieder alleine in Ihrer Situation zurücklassen muß.

Die beiden bedankten sich sehr herzlich bei mir und die gemeinsame Zeit die ich mit ihnen verbracht habe. Ich erwiderte natürlich, denn es war auch ein Geschenk für mich.

In dieser Nacht in dem ich den Bahnhof aus einer ganz anderen Perspektive betrachten konnte, fühlte ich mich dort sicher und gut aufgehoben. Der Bahnhof wirkte kalt und leer und trotz einem sicheren Gefühl sollte trotzdem niemand hier schlafen müssen, denn es fehlt einfach ein sicheres Rückzugsgebiet und die Geborgenheit die wirklich jeder Mensch braucht.

Mit diesem Brief möchte ich euch Lesern wieder einmal Nahe bringen, dass Nächstenliebe ein selbstverständliches Geschenk für die Mitmenschen sein sollte und somit auch jeden daran erinnern, dass eine solche Situation auch für uns nicht ausgeschlossen ist. Wenn ein Mensch alles bereits verloren hat, nimm ihm nicht noch seine Würde, sondern gib ihm welche. Er kann Sie besonders gut gebrauchen !

Ich habe wieder viel gelernt und erfahren, werde nun noch dankbarer für dass was ich habe ins Bett gehen und auf mehr Menschlichkeit in der Gesellschaft hoffen.

Danke an euch fürs Lesen und Mitmachen!

 

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