Neues aus der Obdachlosenbotschaft: "Rückkehr nach zuhause" (Solly)
vom Wesen ist. Elke versuchte in der Zeit, einen Dolmetscher zu organisieren für eine bessere Verständigung.
In unserem Lager fanden wir schnell eine warme Jacke, Hose, Pullover und Socken. Ich nahm noch Isomatte, Schlafsack und Wolldecke mit für den Fall, dass er die Nacht im Freien verbringen müsste. Wir fuhren zurück zum DRK, wo Elke mir Freude strahlend erzählte, dass ein Dolmetscher zu uns auf dem Weg sei. Keine 10 min später stand er neben uns, begrüßte den Mann und wir konnten einiges erfahren.
Er war vor ca. 3 Monaten hierhergekommen, um zu arbeiten. Dann hat er 1 Monat gearbeitet, Geld bekommen und noch weiter gearbeitet, aber keinen Lohn mehr erhalten, sodass er nichts mehr bezahlen konnte und auf der Straße landete.
Elke und ich tauschten Blicke aus und beschlossen, dem Mann weiter zu helfen. Wir stellten die Frage, ob er wieder nach Polen in seine Heimat zurück möchte. Gut, dass wir Gerhard zum Übersetzen haben, dachte ich mir. Er stellte ihm die Frage und wir bekamen sofort ein „Ja“ zur Antwort. Nun setzte sich Dominik an den Rechner und versuchte, eine Busroute rauszufinden, mit der er zurück fahren könnte. Ich schrieb dies wieder in Essen packt an, um unsere Helfer aus Essen zu informieren.
Mehrere Leute versuchten, auch eine Buslinie zu finden, und es ging darum, wie werden die Kosten dafür bezahlt und von wem. Wir stellten fest, dass er einen Ausweis bei sich trug und wir ihm so noch besser helfen konnten.
Als wir sahen, dass er frühestens am Mittwochabend mit einem Bus fahren könnte, wenn wir die Reisekosten des Bustickets für die erste Strecke (79 Euro) und dann noch mal für die restlichen 30 km ca. 15 -20 Euro abgeklärt bekommen, fragten wir, wo er den schlafe.
Wie erstaunt waren wir, als Gerhard übersetzte, dass er an der Kirche schlafe, aber jetzt friere. Das geht nicht, im Freien zu schlafen, da die Nächte teilweise schon sehr kalt waren und in Deutschland schon die ersten erfroren sind. So waren unsere Gedanken und Elke rief in der Notübernachtungsstelle Lichtstraße an. Nach mehreren Versuchen hatte sie jemanden ans Telefon bekommen und wir haben es geschafft, ihm ein Bett zu organisieren. Gerhard, Zbigniew und ich beschlossen, um 20 Uhr zur Lichtstraße zu fahren, um ihm sein Dach über dem Kopf zu zeigen, und am nächsten Tag weiter mit ihm nach Lösungen zu suchen. Gerhard habe ich mitgenommen zum Übersetzen, da sie in der Lichtstraße auch nicht mit ihm reden konnten. Unterwegs sagt wir ihm noch, dass er nur das mitnehmen solle, was er wirklich benötige wegen Diebstahlgefahr. Was er dann auch tat. Die übrigen Sachen haben wir in meinem Auto gelassen und ihm gesagt, dass ich ihn am nächsten Morgen dort wieder abholen werde um 7.45 Uhr. Wir verabschiedeten uns von ihm, wünschten gute Nacht und ich fuhr Gerhard noch nach Hause.
Als ich am nächsten Morgen aus dem Haus ging, habe ich gehofft, pünktlich an der Lichtstraße Zbigniew einzusammeln. Daraus wurde aber leider nichts, da die Baustellenumleitung plus Berufsverkehr alle Straßen zur Stadtmitte verstopfte. Ich modelte spontan eine nach der anderen Route um und kam zum Schluss 10 min zu spät an der Lichte an. Aber von ihm war nichts mehr zu sehen. Die Mitarbeiter kamen in dem Moment aus der Unterkunft und ich fragte sie höflich, ob er noch da sei. Sie sagten, dass er eben noch an einem Auto stand, aber wir sahen ihn nicht. Also bedankte ich mich und fuhr eine Runde, fand ihn jedoch nicht.
Also parkte ich mein Auto und lief zu Fuß los. Aber wo sollte ich ihn suchen? Hmm… ich lief spontan den Weg zum Bahnhof. Keine Ahnung, warum. Wie froh war ich, als ich ihn 2 Straßen weiter in der Maxstraße sah und er freute sich auch riesig. Mit Händen und Füßen unterhielten wir uns, als wir zum Auto zurückliefen. Schreck vorbei Gott… sei Dank.
Wo sollte ich mit ihm hin? Alle schliefen ja noch. Ich hatte keinen Plan, also entschied ich alles spontan und fuhr mit ihm nach Frohnhausen ins Lager, räumte den Tisch frei und wir tranken Kaffee, den ich frisch gebrüht mitgebracht hatte. Er freute sich auch über sein Frühstück. Zbigniew ist sehr genügsam. Als ich anfing, im Lager Frohnhausen Umzugkartons für das Lager in der Mayflower einzusammeln, da ich noch dorthin musste, half er schnell mit. Ich ließ es zu und beschloss, auch gleich die Kartons von den Verbandsmaterialien mitzunehmen für Markus C.
Nach dem wir alles ins Auto geladen hatten und noch mal zur Toilette gegangen waren, fuhren wir zur Mayflower. Dort angekommen, luden wir alles wieder aus. Dort stellte ich ihn allen vor und auch da wollte er nicht nur tatenlos zusehen, sondern half uns im Lager mit. Er stellte fest, dass die Fliesen durch zu wenig Mörtel kaputt und lose waren und wollte sie uns reparieren. Wir schauten uns im Lager um, ob wir geeignetes Material da haben, fanden etwas, improvisierten und er befestigte die Fliesen.
Als wir fertig waren mit unserer Lagerarbeit, fuhren wir zu Gerhard, den wir einsammelten, um das Ticket für zu buchen. Ich benötigte Gerhard vom DRK zum Übersetzen. Wir sind nach Borbeck zur Unterkunft vom DRK gefahren, um da das Ticket zu buchen am Rechner. Es gelang uns leider trotz 4 Versuchen nicht und wir beschlossen, es direkt im Reisebüro zu holen. Gerhard rief vorher an, um zu klären, wie die Öffnungszeiten sind und wie man bezahlen kann vor Ort. Ich fuhr schnell noch mal los, Geld für das Ticket holen, und lud beide ein, um zum Reisebüro zu fahren. Die Buchung ging sehr schnell. Keine 5 min später hielten wir das Ticket in der Hand. Danach fuhren wir wieder zur Unterkunft vom DRK, wo inzwischen Elke eingetroffen war. Sie freute sich auch, Zbigniew wieder zu sehen.
Wir versuchten erneut, weitere Fragen zu klären. Wie zum Beispiel: Hat er ein Handy, da ich noch keins bei ihm gesehen hatte und das ist in der heutigen Zeit undenkbar? Er hatte eins und holte es so gleich aus seiner Rucksacktasche, die in meinem Auto lag. Es war kaputt auf dem Display. Wir versuchten es trotzdem zu laden. Aber nichts tat sich, auch nicht nach einer halben Stunde laden. Also nahmen wir das Handy auseinander, da wir wollten, dass er seine Verwandten in Polen anrufen sollte, dass er zurück nach Hause komme. Und ob ihn vielleicht jemand 30 km von seiner Heimat abholen könne, da der Bus nicht so weit fuhr. Wir stellten leider fest, dass es auch noch ein Wasserschaden hatte, der Akku dick aufgequollen war und die Karten auch keinen Inhalt anzeigten. Also alles zusammen war Schrott. Er entsorgte es und wir dachten noch mal nach.
Da kam mir die Idee, die Namen seiner Verwandten bei Google einzugeben. So erfuhren wir, dass er Papa von 6 Kindern ist, seine Frau und ein Kind leider schon verstorben sind. Die Suche nach seinen Kindern im Internet stellte sich auch erfolglos dar. Da kam eine Anfrage an meinem Handy rein, ob wir alle Kosten für die Heimkehr gedeckt bekommen für den gestrandeten Obdachlosen. Ich schrieb, dass uns noch ca. 20 Euro bis zum Endziel fehlten und der Anrufer erklärte sich sofort bereit, die Kosten dafür zu übernehmen. Vielen Dank noch mal an der Stelle. Super so war auch das letzte Stück Reise nach Hause für Zbigniew gesichert.
Es war nun mittlerweile wieder 19.45 Uhr geworden. Gerhard und ich wollten Feierabend machen für den Tag, packten zusammen und verabschiedeten uns von Elke (Zbigniew für immer vielleicht, wir wissen es ja nicht) und fuhren zur Lichtstraße, wo er die letzte Nacht verbringen sollte, bis ich ihn am nächsten Morgen wieder einsammele. Ich fuhr Gerhard nach Hause und bin zu Hause später auch in mein Bett gefallen mit den Gedanken, dass hoffentlich alles kappt und er bald auf dem Heimweg ist.
Am nächsten Morgen brühte ich wieder Kaffee und fuhr 15 min ehr los, aber dieses Mal direkt die beste Rute zur Innenstadt und war sogar vor 7.45 da und Zbigniew wartete schon draußen. Er freute sich, dass es dieses Mal besser klappte. Er zeigte mir einen Zettel, auf dem 2 Handynummern drauf standen und schrieb mir 12.00 h auf und ich verstand, dass er um 12 Uhr da anrufen wollte. Also schrieb ich Gerhard an, ob es ihm möglich sei, gegen 12 Uhr bei mir zu sein, da er jemand anrufen wolle, um zu übersetzen. Er wollte es versuchen und sich melden, wenn es klappt. Er musste aber erst zur Werkstatt wegen seinem Auto.
Doch wo sollte ich dieses Mal mit ihm solange hin? Wieder ins Lager? Nein, das wäre nicht gut. Ich hatte einen Arzttermin, wohin ich ihn mitnahm.
Da wir recht früh waren, ging ich mit ihm zum Bäcker, spendierte da einen Kaffee und was zu essen, um die Zeit zu überbrücken. Später zeigte ich ihm, wo ich beim Arzt sitze und er da auch zur Toilette gehen könne. Er wollte aber im Auto warten, da er wusste, dass ich Kaffee mitgebracht hatte.
Als ich fertig bei meiner Ärztin war, fuhr ich zur Bank, meine Kontoauszüge und etwas Geld holen. Kurz darauf rief mich Gerhard an, dass sein Auto fertig sei und er Zbigniew abholen wolle, um mit ihm den Nachmittag zu verbringen. Das fand ich toll, da er Polnisch sprechen konnte. Wir trafen uns und verabredeten uns für 17 Uhr an der WiederbrauchBAR.
Ich fuhr nach Hause, holte meine Sachen und ab nach Borbeck. Um 17 Uhr war ich wieder in der Stadtmitte, um die letzten Stunden bis zum Bus mit Zbigniew, Gerhard und EPA Leuten zu verbringen. Ich gab Gerhard das Geld für die Parkgebühr, da ich gerne wollte, dass er als Übersetzer dableiben sollte. Ich fand es echt klasse, wie er übersetzte. Danke noch mal an dieser Stelle.
Gerhard und mir ging es immer noch darum: Wie kann man seinen Leuten in der Heimat Bescheid geben? Er erzählte mir, dass er, als er mit ihm bei sich zu Hause war, lecker Schwein von seiner Frau bekommen habe und den Nachmittag mit seinem Sohn in Mülheim unterwegs war. Sie hatten auch des Öfteren versucht, die Handynummern anzurufen, aber vergebens. Gerhard griff nach seinem Handy und wählte erneut die Nummer. Wie erstaunt waren wir, als er eine Stimme am anderen Ende hörte. Sofort reichte er das Telefon an Zbigniew weiter. Mir sagte er, es sei sein Bruder. Wau … es hat geklappt. Super, nun wussten auch sie Bescheid, dass er zurückkommt.
Wir erfuhren noch das Zbigniew wahnsinnig Angst vor Hunden hat, da er in Polen von Hunden gebissen wurde. Mir fiel noch eine Frage ein, die Gerhard und mich beschäftigt. Wie bist du überhaupt hierher nach Deutschland gekommen? Und er antwortete: „ Mit dem Auto und drei weiteren Männern, die ihn hier in Essen absetzten. Die drei anderen sind nach Polen zurückgefahren.“ Da hatte ich die Befürchtung, dass sie ihn vielleicht zu Hause zusammenschlagen oder wieder hierherbringen. Doch Gerhard sagte: „Nein, er hat da eine Wohnung wo er alleine wohnt.“ Sein Bruder wusste ja nun auch Bescheid. Nachdem wir noch Tabak und Blättchen geholt hatten, fuhren wir gegen 19.15 Uhr zum Bus am Hbf. Wir stellten uns hin, bis er mit 30 min Verspätung eintraf. Nachdem Zbigniew mit Proviant in der Tasche versorgt und sein Gepäck im Kofferraum verstaut war, verabschiedeten wir uns, wünschten ihm eine gute Heimreise, die mehr als 23 h dauern sollte mit dem Bus.
Gestern erhielt ich von Gerhard die Nachricht, dass Zbigniew gut in seinem Zuhause in Polen angekommen sei.
Was für ein Erlebnis. Ich würde mich immer wieder so einsetzen für solche Obdachlosen, wenn ich es kann. Vielen Dank an alle, die es ermöglicht haben, dass er in seine Heimat zurückfahren konnte … ohne viel Bürokratie